Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

Puppentheater Halle: „Schule der Frauen“ von Moliere

Horace, ein junger Mann, erzählt einem anderen von seinen Amouren mit einer jungen Frau – die somit ihren zukünftigen Ehemann Arnolphe hintergeht. Der hat das arme Bauernkind nach seinen Bedürfnissen „gezüchtet“: Unwissend und von der Welt isoliert. Doch der, dem Horace, der Liebhaber das alles ahnungslos erzählt, ist genau jener Arnolphe.

Dem es aber dennoch nicht gelingt, das Treiben der jungen Leute zu unterbinden, immer entkommt der junge Mann aus dem Fenster usw., ohne Arnolphe zu erkennen.

Ein richtiger Komödienstoff und gut geeignet für ein Sommertheater im Halleschen Moritzburg-Hof; Hartmut Lange übersetzte und bearbeitete Molieres Stück und Ralf Meyer, Hausregisseur am Puppentheater Halle, wickelt alles zügig in 1 ½ Stunden ab im recht nüchtern zeitlosen Bühnenbild und ebensolchen Kostümen von Angela Baumgart. Heutige Bezüge zur Wunschfrau aus dem Katalog tun sich auf, täten es aber auch mit etwas mehr Zeitkolorit, zumal die Sonnenkönig-Epoche im Text permanent präsent ist. Wie in zwei tumben Dienern, die von den Hauptakteuren mit dargestellt werden, und zwar so, daß es meine theatergewöhnten Begleiter erst beim Applaus merkten.

Zum Puppentheater wird das Ganze, indem sich alle große Klappmaulköpfe vors Gesicht halten. Nur Arnolphe nicht. Sebastian Fortak, den ich öfter als überzeugenden Puppenspieler gesehen habe, schauspielt ihn durchweg – agil und prägnant. Auch der deutlich gereifte Simon Buchegger bedient sein Figurenprofil bestens, ebenso weitgehend Luise Friederike Hennig, wobei sie vom Stück noch Gelegenheit bekommt, offenherzig und entwaffnend ehrlich, aber keineswegs so dumm, wie von Arnolphe gewünscht, eine etwas unerwartete Seite zu zeigen.

Agnes besteht aus einer Art Kostümgestell mit aufgesetztem Maskenkopf und Käfig-Krinoline, in die die Spielerin manchmal gesperrt wird. Diese visuelle Metapher wirkt oft einleuchtend. Ebenso, daß die Maskenköpfe manchmal sinken und die „wahren“ Gesichter weiterspielen. Nur gelegentlich wurde das schematisch oder aber etwas unlogisch, weil beim betrogenen Ehemann Arnolphe diese Zweigesichtigkeit fehlte, die mir vom Stück durchaus vorgegeben scheint. Und für die gerade in den „Männergesprächen“ mit dem Liebhaber, dem er den beipflichtenden Kumpel vorspielt, während er als Betrogener vor Wut kocht, der Maskenkopf gut und komödiantisch einsetzbar gewesen wäre. Aber ich will hier natürlich nicht die Inszenierung beschreiben, die ich gerne gesehen hätte – zumal ich ansonsten weitgehend einverstanden war. Unter den kürzlich gestreamten Stücken vom Puppentheater Halle, die ich gesehen habe, würde ich dieses im oberen Mittelfeld ansetzen. Es wurde nicht allzuviel gelacht, dabei eher über Sebastian Fortaks Einwürfe zu Viren-Masken und Corona, aber auf jeden Fall hatte ich wie die anderen ca. 200 Zuschauer im ausverkauften und stimmungsvollen Burghof einen vergnüglichen Abend.

Halles Bürger lieben ihr Puppentheater – wohl auch, weil dessen Konzept der Puppen und sichtbaren Spieler kaum abgehoben aufs deutsche Feuilleton zielt. Jedenfalls nicht mit dem, was man auf der Bühne sieht. Dieser Abend bot für mich noch einmal eine etwas andere Version des hier vertrauten ästhetischen Prinzips, wohl auch, weil statt der nicht nur an diesem Haus meist dominierenden naturalistischen Tischpuppen diesmal von Simon Buchegger, also dem Darsteller des Liebhabers Horace, grünliche, fast karikaturhafte Klappmaulköpfe beigesteuert wurden.

Auch nach einem Vierteljahrhundert unter Christoph Werner und einem manchmal etwas eigenwilligen Umgang mit der eigenen Theatergeschichte bewegt sich immer wieder etwas am Puppentheater Halle. Und nach einem ganz einfachen aber essentiellen Schlußbild, wo sich das junge Paar einer- und Arnolphe die nunmehr unbelebt-tote Agnes-Puppe andererseits umarmt, gibt es langen Beifall.