Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

UND EWIG ZAUBERT DIE FLÖTE Jugend-Musikfilm-Kritik

Mozart als Harry Potter, Sarastro als Herr der Ringe, warum nicht? Wolfgang Emmerich proudly presents hier ein Gemisch aus Mozart, Pop und Kintoppmusike. Da singt der angehende Klassikstar, den man nie klassisch singen hört, für die Jugend zwischendurch mal ein Pop-Duett und statt Mozart - den gibts nur in den Zauberflöteszenen - werden die Weisheiten-gespickten Klischeedialoge der Rahmenhandlung mit gängigem Blockbustersound überzuckert. Dabei hat Wolfgang Amadeus doch Musik nahezu aller Stimmungslagen hinterlassen; aber ist das der Jugend, die hier geangelt werden soll, letztlich doch nicht zuzumuten?

 

Tim / Pamino soll in einer Super-Musik-Internatsschule zum Supersänger werden, aber die Liebe kommt dazwischen. Das wird etwas langgezogen und faktisch ohne Bezug zur “Zauberflöte” erzählt. In die gerät er nachts durch eine Tür, in ein Land der Fantasie. Oder eher der FantasYYY, also dem, wo leider allzuoft Phantasie durch einfallsarmen Aufwand weggedrückt wird.

Daß im stinkteuren Genre Oper der spezielle Gesang - einst entwickelt, um über die immer größeren Orchester hinweg zu kommen - nicht jedermanns Sache ist, legt sicher nahe, im Mikrofon-Zeitalter mal etwas anderes zu versuchen. Aber die deutschen Synchronsänger - im Abspann wie überall im Netz geheimgehalten - können es entweder kaum oder dann doch wieder “nur” klassisch wie Königin und Sarastro, zwei erstklassige Opernstars. Ob aber ausgerechnet “Der Hölle Rache”, die Arie mit den höllischen Belcanto-“Scat”-Koloraturen, das wohl Extremste an Opern-Künstlichkeit, Jugendlichen Operngesang nahe bringt?

Die drei Damen der Königin der Nacht klingen immerhin ein bißchen wie ein Soul-Trio, aber eben nur ein bißchen. Mit Konsequenz wär das vielleicht was geworden, andeutungsweise wahrzunehmen, wenn man im Netz nach längerem Suchen die englische Musikaufnahme zum Film gefunden hat: https://www.youtube.com/watch?v=X1iiHIcZUws

 

Den Kohl macht mir fett, wenn den deutschen Zuschauer-Kids die Mozart-Sangesleistung ihrer Stars, bekannt aus Serien und Blockbustern, angepriesen wird, sie aber in den Youtube-Clips die Mozartstücke gar nicht selber singen.

Dazu kommt, daß auch der Gesang englisch gedreht, aber deutsch synchronisiert wurde, daß also der deutsche Originaltext auf englische Mundbewegungen gesetzt wird und Lippensynchronität keine Chance hat, so bleibt der Gesang immer wie von draußen.

Einen viel geschlosseneren Stilmix bot vor fast 70 Jahren “Carmen Jones”, mit Stimmen zwischen Jazz und Oper, vor allem im Quintett: https://www.youtube.com/watch?v=AK-vN-ldldw

 

Das im Grunde herrlich naive, über Unzulänglichkeiten, dramaturgische Holper unbekümmert hinweggehende Libretto Schikaneders, Wiener Vorstadt-Theaterunternehmer, Schauspieler und der erste Papageno-Darsteller, wird im Film hingegen zu bieder ehrfurchtsvoll behandelt. Gelegentlich wird sprachlich etwas ausgeglichen und “der böse Mohr” ist ganz correct ein “böser” weißer Diener. Allerdings klingt hier ein bißchen an, wie mit weniger Aufwand, aber mehr charmant-komischer Kolportage deutlicher zu zeigen wäre: Oper ist auch Spektakel und kann Spaß machen. So wirkt vieles, als hätte ein armes braves Provinztheater vor 50 Jahren plötzlich den Aufwand eines großen Studios zur Verfügung, mit dem es aber nicht wirklich umgehen kann.

 

Ist das alles dem Regisseur anzulasten? Mit Emmerich als Produzent und der weitgehend englisch/amerikanische Besetzung schiebt sich das Ganze deutlich nach Hollywood und da quatschen bekanntlich tausend Leute rein.

Haben die Macher sich mal durch die gefühlt 5000 “Zauberflöten”-Inszenierungen im Netz gearbeitet? Da sind andere Regisseure - und ich meine nicht die Opern-Castorfs und Stückvergewaltiger - doch schon viel weiter, ohne aus dem heiteren Singspiel gleich einen Heiner-Müller-Brocken zu machen. Dieser Film geht da leider zurück und das hat etwas, pardon, Arrogantes. Zu empfehlen: Kenneth Branaghs “Zauberflöte” von 2006. Die spielt im 1. Weltkrieg und ist trotzdem weitgehend leicht und vor allem phantasievoll. https://www.youtube.com/watch?v=EPLf3BBBBH8   (Ouvertüre als Trailer, den ganzen Film gibts auch auf youtube)

 

Andere Rezensionen/Meinungen auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/The_Magic_Flute_%E2%80%93_Das_Verm%C3%A4chtnis_der_Zauberfl%C3%B6te