Szenenstudium Marionette 3. Studienjahr HS Ernst-Busch-Puppenspiel 2020
“Es ist, es ist mein Ideal, Das große Wort, es heißt: sozial”, dichtete einst Friedrike Kempner.
Und so wandten sich jetzt auch zwei Marionetten-Szenenstudien sozialen Texten zu.
Das Ganze im Stream zu sehen, bequem von Zuhause. Aber eben per Webcam, meist in Total-Bildausschnitt und mit entsprechender Tonqualität. Da fällt die Beurteilung etwas schwer.
Soweit ich sehen konnte, waren die 8 Studenten des 3. Studienjahres mit Interesse bei der Sache und zeigten mit den Marionetten achtbare Qualität . Wobei es die Gruppe unter Prof. Menzel leichter hatte, sie spielte mit Stockmarionetten. Die gelegentlich – für mich nicht ganz nachvollziehbar, was aber wie gesagt auch an den Übertragungsmängeln liegen konnte – zu den heutzutage zu Tode gequälten Tischpuppen umfunktioniert wurden. Als Marionette mußten auch mal die anderen Studenten zugreifen und die Armfäden ziehen. Sollten die Studenten nicht auch technisch schwierigere Aktionen bewältigen lernen? Aber vielleicht handelte es sich auch um bewußte Regieeinfälle.
Ablenkende Spielergesichter – bei gewählter offener Spielweise – zählen als traditionelles Dauerproblem bei Ernst-Busch-Puppe wohl schon zum nichtmateriellen Kulturerbe.
Im Stück LAKOMA- von Oliver Bukowskigehts um die sozialen Verwerfungen in der vom Ende des Kohleabbaus geprägten ostdeutschen Lausitz in den 90ern, also in für heutige Studenten historischer Zeit.
Die Fademarionetten-Gruppe unter Tilla Kratochwil zeigte Bier für Frauen- von Felicia Zeller. Vier Frauen auf einem Kinderspielplatz reden miteinander. Habe ich richtig gesehen, daß die Marionetten technologisch nicht ganz optimal waren? Jedenfalls gabs immer mal Momente von Augsburger Puppenkisten-Gewackel.
Die Stücke waren also sehr realitätsbezogen, das verdient Lob. Ob es aber pädagogisch sinnvoll ist, wenn sich die Studenten an ca. 40-minütigen Texten abarbeiten müssen? Oder wirkt da immer noch die alte Ernst-Busch-Manie, jedes Szenenstudium zur “Inszenierung” aufzublasen? (Auch wenn hier das Marionetten-Metier von der Regie relativ wenig Richtung Schauspiel verlassen wurde wie üblich.) Ist es nicht sinnvoller, die Spieler über kürzere Strecken prägnantere Spiellösungen im Detail finden zu lassen? Besonders bei Tilla Kratochwil war trotz achtbarem Ergebnis ihre geringe eigene Puppenspielpraxis, gar mit Marionetten, zu spüren. Und bei beiden die Unsicherheit, wirklich geeignete Texte für Marionetten, besonders für Anfänger, zu finden. Texte, die genügend Umsetzung in gestischen Ausdruck provozieren, aber auch nicht zuviel Aktionismus verlangen, der diese Puppen überfordert.
Das zu spüren braucht wie gesagt Erfahrung. Hier kippte die soziale Konkretheit im Inhaltlichen ein wenig ins “gut Gemeinte”.
Hat die Hochschulabteilung vielleicht zu lange nicht genug auf nachkommenden, fachlich kompetenten Dozenten-Nachwuchs geachtet? Ich erinnere mich an die Situation in den Nuller Jahren unter endlich einem neuen Abteilungsleiter, wo man das hätte konsequent angehen können.
Immerhin wird weiter Marionette gelehrt, auch wenn in der Praxis zunehmend auf ganz wenige Puppentechniken reduziert wird. Und während die Schaubude seit 20 Jahren klare Signale setzt, daß die Puppen an Fäden zu den aussterbenden Arten gehört. Gerade wurde wieder ein entsprechendes Projekt gecancelt.