(17.6.2023) Der 17. Juni vor 70 Jahren: Nur acht Jahre nach Ende der Nazidiktatur, gegen die es wenig Widerstand gegeben hatte, war das entsprechende rechte Gedankengut völlig verschwunden! Oder? Daß die "vom Westen gelenkte faschistische Konterrevolution" eine Worthülse der SED-Propaganda war, daß es primär um ganz anderes ging, ist wohl allgemeiner Konsens. Aber sollte man mit heutiger Souveränität grundsätzlich ausschließen, daß da auch etwas nachwirkte aus brauner Zeit?
Im Netz findet sich erstmal nichts - dann aber doch. Und das scheint mir kaum Propaganda, welcher Art auch immer, sondern lesenswert. Was ist daran so verdrängenswert? Die vergleichsweise extrem blutigen Nachwirkungen der französ. Revolition von 1789 überlagern doch auch nicht völlig deren insgesamt positives Image.
Ich selbst wurde als Mitorganisator des ersten Festivals des Freien Ost-Theaters im März 1990 Zeuge, wie der Spielort PALAST DER REPUBLIK mal kurzzeitig von aggressiven Rechten gestürmt wurde. Trotzdem wird man die Wende nicht als im wesentlichen rechte Aktion ansehen. Auch wenns geringe Tendenzen gab.
https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/wieviel-ns-steckte-im-deutschen-aufstand
http://www.conne-island.de/plakat/Infoveranstaltung.html
http://jungle-world.com/artikel/2013/24/47912.html
Und nun bitte wieder der beliebte hysterische Aufschrei, ich würde hier etwas verbreiten, was...
(Kurz zum Thema Verdrängung: Als ich kürzlich nach einer Puppenspielstudenten-Prüfung, teils mit katastrophalem Marionettenvorspiel, aufstand, um über unübersehbare Ausbildungsdefizite zu sprechen, standen sofort einige Leute - wahrsch. Angehörige der Studenten - auf und verließen den Raum, bevor ich recht zur Sache kam. Verständigungsblockade nicht nur an der Hochschule Ernst Busch, sondern auch schon im Umfeld? )
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https://www.3sat.de/kultur/kultur-in-3sat/kultfigur-kasperl-koenig-der-narren-102.html
Film von ORF /BR
(18.6.23) Besonders ein unterpräsentes Theatergenre müsse man auf den staatlich-europäischen Kultursendern 3Sat und ARTE behandeln? Nö. Letztlich gehts auch hier innerhalb der Edel-Kultur um Quoten, deshalb: Klassische Musik! Sowie Ballett und Tanz (beides hat ja bekanntlich nicht das Geringste miteinander zu tun). Völlig unerwartet und gegen die Regel zeigt 3Sat nun diese Puppenspiel-Doku.
André Heller hat ein Wiener Kasperl-Theater gekauft und es damit gerettet. Bravo! Diesen und andere Kinder-Kasper sieht man ausführlich, den bösen und kritischen Haudrauf-Kasper für Erwachsene dagegen nicht, dafür wird er verbal beschworen. Habens den in Austria auch ausgerottet wie in Germanien? Stattdessen sieht man Andrè H. himself sowie Puppenstar Nikolaus Habjan - kasperfrei. Immerhin werden Kaspers politische Einfärbungen erwähnt - konkrete Dialoge aus den jeweiligen Zeiten gibts aber nicht. (Vielleicht sollte ich mein "KASPARETT" damit bewerben: PolitPropaganda von Kasper - 1914, 1933, 1945, 1989 - gibts nur bei mir!)
Daß der Kasper 2021 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt wurde, verschweigt der Film von 2022 auch. Achso, das betraf den DEUTSCHEN Kasper, hinten OHNE L, nicht den österreichischen MIT L. Das sind fundamentale Unterschiede und alles als EINEN, nämlich deutschsprachigen Kulturraum zu behandeln, klänge ja schon wieder nach "Heim ins Reich"-holen von Österreich.
Gerade durfte der Chef der SCHAUBUDE, einziges staatliches Puppentheater Berlins, hemmungslos seinen völligen Verzicht auf alles irgendwie Traditionelle erklären - und allen Ernstes druckte es der TAGESSPIEGEL kommentarlos. Also haut weg den Scheiß. Ernst-Busch-Puppe setzte schon an, Marionette aus der Ausbildung zu streichen, beschäftigt aber wenigstens nur ahnungslose Dozenten dafür. Nur ARTE spielt nicht mit und wiederholt einen Film über tradit. italienische Marionetten. Heile Welt des Puppenspiels. https://www.arte.tv/de/videos/097521-000-F/die-puppenspieler-von-catania/
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35. Hohnsteiner Puppenspielfest 2023
2. - 4. Juni
Nach drei Corona-Aussetzern schien 2023 wieder alles wie immer. Nicht der Burghof, aber die Vorstellungen waren fast, manche sogar übervoll zum 35. Puppenspielfest der Stadt Hohnstein, die sich mehr und mehr auf ihre höchst unterschiedliche Geschichte besinnt. Zu der gehört, dem einflußreichsten deutschen Puppentheater der ersten Hälfte des 20. Jh. zeitweilig Wohn- und Arbeitsort, vor allem aber seinen Namen „Die Hohnsteiner“ gegeben zu haben. Daß heute Hohnsteins Burg auch als KZ präsenter ist, tut der von diesen Puppenspielern verbreiteten Unbeschwertheit keinen Abbruch. Die auch Mitläufer waren, was man heute zeitbedingt sehen darf - ohne es einerseits komplett zu entschuldigen, oder aber sie darauf zu reduzieren.
„Biete Waschbär, suche meine Frau“: Die Kasperbühne ist ein Gasthaus und die wichtigste Person fehlt: Köchin, Putze und vieles andere, vor allem Ehefrau des Wirts. Der, Jörg Bretschneider, sichtbar als Mensch Jochen, hat stattdessen einen Waschbär - der ist nicht wie in der Wirklichkeit zerstörerisch-lästig, sondern Unterbewußtsein und zweites Ich. Und Bühnenmittelpunkt, auch wenn er sichtbar vom Puppenspieler gesprochen wird. Wenn in diesem halb Psychodrama, halb Spießer-Karikaturen-Kabarett formale Langeweile droht, gibts einen Blick in die Kindheit mit anderen Klappmaulpuppen. Ich fand die Gegensätze zwischen Banalem und Hinrergründigem ausgewogen und habe mich amüsiert wie der ganze volle Saal.
Kristina Feix vertrat als Regisseurin des Baby-Objekttheaters “Socke, Mond und Sterne“, - ich sah ein Zweijähriges interessiert zugucken - und als Aktrice zusammen mit Franziska Hoffmann in „Rapunzel“ die Kategorie reduziertes, Schauspiel-angereichertes Puppentheater. In der hier vertretenen geringen Menge ist das ein interessanter Grenzfall (woanders leider invasive Beschädigung des Puppengenres) und die getragene Bildsprache, die Materialität zwischen verwittertem Holz, Erde und alten Stoffen war durchaus eigen und erinnerte tatsächlich an „Kranewit“-Gründerin Mo Bunte. Die 2013 Verstorbene war prägnant aber nicht überprominent und so scheint mir der Bezug auf sie ehrlich bewundernd. Rhythmisch etwas gleichförmig, nahm „Rapunzel“ (Regie Halina Kratochwil) die Zuschauer spürbar mit in eine spezielle Athmosphäre - Open Air!
Vom Rotkäppchen des Puppenfest-Mitbegründers Ronald Mernitz sah ich zumindest das so komische wie überzeugende erste Drittel: Puppentheater als „gemacht“ mit der Ebene des Spielers zu zeigen, quasi verfremdet, geht auch mit klassischer Kasperbühne, wo der Spieler nur momentweise zu sehen ist - indem hinter dünner Stoffabdeckung kurz das Licht angeht - sowie Hand- statt der dafür üblichen, in Hohnstein auch vertretenen Tischpuppen. Ernst-Busch-Absolvent Mernitz hat in Berufsjahrzehnten Leichtigkeit entwickelt und war gewissermaßen Gegenstück zu einer früheren Absolventin, die wieder zur Amateuse geworden war.
Weiteres zu besuchen, schaffte ich einfach nicht, zumal ich selber nach 36 Jahren wieder mitspielte, nämlich mit dem an Berlins SCHAUBUDE kürzlich nicht zugelassenen Remake von „Kasparett“(1979) über Kaspers Geschichte zwischen Aufmüpf und Anpassung, mit neu Zugefügtem. Und einer kurzen Reflektion zu Diktatur wählenden Deutsch-Türken und den Ähnliches hinnehmenden (nicht nur Berliner) Puppenspielern. Das wurde keineswegs zur Störung des Hohnsteiner Frohsinns.
Und erinnerte mich an 1989, als ich hier unangemeldet Kabarett-Texte puppenspielte, die in Ostberlin verboten waren - aber niemand die Polizei rief, sondern das Fest fröhlich weiterging.
Von den für Hohnstein angemessen zahlreichen Kasperstücken, oft mit Hohnsteiner Handpuppen sei noch erwähnt das Un-Hohnsteinische Kaspertheater des Sebastian Putz (Staatstheater Meiningen) mit Großmutter und Zauberei. Es bestand im Wesentlichen aus Vor- und Nachspielen, spielfreudig um ein Nichts von Rotkäppchen gruppiert und war hinreißend sympathisch.