Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

In the Glotze: Schlachtfest-Kintopp & Fantasy-Oper

Karigula - Monster der Liebe

ZDF

https://www.zdf.de/filme/das-kleine-fernsehspiel/karigula---monster-der-liebe-100.html

Regie & Buch: Carsten Unger

Der Film wird viel gelobt. Hmm.

Eine schwarzhumorige Geschichte mit Todessehnsucht, Serienkill und “abwegiger” Erotik, bestens geeignet für einen knackig-surrealen Kurzfilm, wird auf Tatortlänge gedehnt, wofür zu wenig Relevantes geschieht, vielleicht auch einfach die komischen Einfälle nicht reichen. An sich hervorragend gespielt, besonders von Simone Timoteo - im leider unangemessenen Tschechow-Stil mit viel bedeutsamem Schweigen: Zuschauer, jetzt denk dir mal Tiefenpsychologisches in die Charaktere hinein! Paßt nur leider nicht zur Geschichte.

Wenn es gelegentlich aus trockenem Ton komisch aufblitzt, ist   für einen Moment zu ahnen, wie das als konsequent morbides Lustspiel hätte aussehen können.

Andererseits gibt es meist zu pur und unverfremdet alte Klischees über traurige Clowns und Opfer zerlegende Fleischer.

Was hier nicht stimmt, wurde mir durch mein “naturales” Mitleid mit dem echten, grade geschlachteten Jungschwein bewußt, mit dem Ben Becker einmal spielt, das war, als würde man für das Mordopfer im Krimi eine echte Leiche so einsetzen, daß es das Publikum merkt. Stimmiger, wenn am Anfang menschliche Organe im Fluß schwimmen, die aber vom Täter “fachgerecht” eingeschweißt wurden. Das profiliert schon ein wenig die zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Killer-Figur und setzt andererseits komische Distanz statt öder, im deutschen Film oft mißverstandener “Authentizität”.

Ein afrostämmiger Laienspieler, in anderen Filmen als Ghettofigur erfolgreich, schleppt hier unfreiwillig die Verwechslung von “ch” und “sch” mit, was die Regie - auch Verfasser des an sich originellen Drehbuchs - leider nicht als skurrilen Kontrast zu seiner Rolle als akademischer Forensiker benutzt. So bleibt es peinlich gewolltes Multikulti: Geben wir dem milieugeprägten Burschen mal eine “höhere” Chance - was ihn aber umso mehr als Unterschichtler bloßstellt.

Schade. Hätte wie gesagt eine wunderbar makabre, deutsch-untypische Komödie werden können.

Neben viel Kritiker-Zustimmung, sicher gutmeinend zum nicht überhäufigen Versuch einer Film-Groteske, fand ich nur eine einzige andere Meinung.

Film-Dienst:

Eine als bizarre Romanze aufgezogene schwarze Komödie, deren groteske Wendungen nur bedingt die mangelnde Originalität auffangen. Das überstilisierte Spiel mit Farben und die überziehenden Darsteller setzen in dem unausgegorenen Film noch die gelungensten Akzente.

 

 

Sommer-Freischütz als Winterreise

 

Seebühne Bregenz - zdf

https://www.zdf.de/3sat/kulturdoku/der-freischuetz-festspielfieber-am-bodensee-102.html

 

Brutal-Eingriff in des Deutschen liebstes Opernkind? Vielleicht. Was andere Regisseure unter Beibehaltung aller komponierten Preziosen wie meist auch des Libretto-Schwachsinns mit modernen Kostümen oder aber gar keinen machen, also Nacktheit, dazu Müll-Bühnenbild, das macht Regisseur Stölzl nun mit dem Werk selbst: Nicht nur neue gesprochene Texte, sondern teils auch die gesungenen. Daß jetzt vieles besser, logischer, weniger verquast ist als in Friedrich Kindts Originaltext, läßt kleinere Verluste verschmerzen.

Ich halte das für einen gangbaren Weg - wenn es auch etwas die Tatsache vernebelt, daß das absolut teuerste Theatergenre faktisch keine neuen Werke zustande bringt, die das Publikum dauerhaft annimmt. Das Repertoire endet vor 100 Jahren mit Puccini und Richard Strauß.

Ännchen umwirbt - manchmal an der Grenze zur Parodie - nun hingebungsvoll Agathe, die aber letztlich im Hetero-Lager und beim hier nicht wirklich geliebten Max bleibt. Das ist deprimierend wie das Leben, in der Opernlösung aber etwas unschlüssig. Jedenfalls in Relation zu manch Radikalem dieser Neufassung.

Dafür wird nicht gegendert. Danke!

Die vielen, meist überzeugenden Einfälle lassen sich gar nicht alle beschreiben, wie z.B. Ännchens Wasserballett-Begleitung.

Kleiner Verlust zum Original von Kindt - trotz allem Webers bester Librettist - ist der Schießwettbewerb am Anfang, wo ein Bauer gegen den Jäger und Profischützen Max gewinnt. Was letzteren in die Depri sowie die Handlung voran treibt. Jetzt ist Max nur ein Schreiber, also Amateurschütze, was das Problem verkleinert. Und den Leistungsdruck, der auf ihm lastet.

Die deutsche Nationaloper spielt (un)bekanntlich in Böhmen. Sowie nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, also fast 200 Jahre vor ihrer Premiere 1821. Napoleon und Freiheitskriege sitzen in den Knochen, alle haben noch Gewehre. Biedermeier und Spätbarock daher nicht falsch in wunderbar stimmig-unstimmigen wie so kräftigen wie athmosphärischen Kostümen. Sie helfen den weitgehend großartigen Sängern, ihre Charaktere gut bis hervorragend spielend gegen das Bühnenbild zu verteidigen.

Denn das - auch vom Regisseur Stölzl - hat es in sich und ist neben dem Teufel der Hauptdarsteller. Man sieht die eigentlich sommerliche Handlung in einer realen bis surrealen Winterlandschaft mit heruntergekommenem Dorf. Eben Nachkrieg. Da blieb die Wolfsschlucht etwas allgemein, auch in der Bewegungsregie bei den Geistern usw..

Samiel führt jetzt durch die Handlung; ist dabei etwas penetrant und eindeutig der Teufel - im Original deutet sich das eher nur an. Und bleibt damit auch hintergündiger.

Skurril und vor allem schlüssig, wenn er am Ende im Eremiten steckt, der die Handlung schließt und signalisiert: Im Weiteren könnte es problematisch werden.

Das Wasser: Ist allgegenwärtig bei dieser Seebühne, dieses Jahr besonders Obwohl oder w e i l hier eigentlich der deutsche Wald erwartet wird. Auch innerhalb der Bühnenlandschaft gibt es Teiche. Auch in denen wird kräftig agiert, geprügelt, ersäuft und plötzlich abgetaucht.

Aber dazwischen gibts ganz normale Handlung und da gehen die Figuren viel zu selbstverständlich einfach durch die Tümpel und machen sich Füße und mehr naß. Immerhin ist Winter. Der genaugenommen nur durch den Kunstschnee, nicht im Figurenverhalten zu spüren ist. Hier friert keiner. Schade. Oder habe ich eine Bedeutungsebene im ansonsten weitgehend klaren Geschehen übersehen?

Trotzdem: Das “Event” ist dicht und absolut zu empfehlen, auch als ZDF-Sendung, und die Zuschauerbegeisterung ist nachzuvollziehen - es ist fast ein Fantasyspektakel, in dem aber letztlich doch die Akteure und die Musik das Wichtigste sind. Bravo!