Zinnobers Nachtgewächse
Unter dem Titel „Nachtgewächse“ gab es beim Theater o.N. nicht etwa einen Ausflug in sündiges oder dekadentes Großstadt-Nachtleben, sondern einfach eine kleine Parade phantasievoller Figuren als Schattenspiel für klein und groß. Angefangen damit hatte Günther Lindner, gewissermaßen die personifizierte Puppenspiel-Sparte im insgesamt eher Schauspiel-Theater o.N.. Er war dann vor einem Jahr mit erst 73 Jahren verstorben, ganz altmodisch am Tumor statt an Corona, aber nun waren hier seine Figuren zu sehen, meist an wenigen dünnen Drähten geführt. Weitergeführt hatte die Regie Werner Hennrich und es spielten Iduna Hegen und Uta Lindner, kurz, es war die Gründer-Generation oder „Seniorengruppe“ von Zinnober am Werk und die Premiere wurde eine Hommage an Günther L.. Erinnerungen an frühere Zeiten wurden ausgelöst, vor allem an das Schattenspiel „Die Bremer Stadtmusikanten“.
Ein ca. 1,50 m breiter leinwandbespannter Rahmen stand frei im Raum, von meist nur einer Lichtquelle von hinten erleuchtet. Zum fast wortlosen Geschehen spielte Vivaldi. Eine Handlung gab es nicht, es wirkten einfach nur die Figuren, teilweise wie Verwandte der Scherenschnitte von Hans Christian Andersen. Und obwohl Schattenspiel - hier auch noch betont un-artifiziell und un-raffiniert - doch scheinbar immer an die soviel perfekteren Mittel des Kinos erinnert, war die Wirkung stark, gerade auf die teils recht kleinen Kinder. Und als ich meinen Begleiter Richard Rubner, gelegentlicher Puppenspielzuschauer, nach seiner Meinung fragte, schrieb er mir:
„Was mir besonders gefiel war der geradezu spartanische Einsatz von Technik , ein Overheadprojektor, etwas bunte Folie, einige Lampen u. Taschenlampen,
und eben die Papierfiguren und schönen Hintergründe. Kein Laptop, kein Beamer und trotzdem hats wunderbar funktioniert, einen in eine bunte Märchenwelt zu entführen,ein für digital Natives ja geradezu undenkbares Ereignis , die dürften nicht mal mehr einen Overheadprojektor kennen.
Es war auch wirklich sehr gut getaktet um bei den Kleinen keine allzugroße Langeweile aufkommen zu lassen. als sie anfingen unruhig zu werden, Zack ! gabs wieder einen kleinen Spannungshöhepunkt. Es hätte auch nicht länger sein brauchen, denn eine allzugroße Handlung war ja nicht zu erkennen. Hat mir gut gefallen.“
Zinnober / Theater o.N. haben in den ca. 40 Jahren ihrer Existenz wie gesagt eher selbst agiert - jetzt fiel die diesbezügliche Zurückhaltung auf. Die beiden Spielerinnen sind durchaus wahrzunehmen, es ist ja nichts um die Leinwand herum abgedeckt, aber sie treten nie selber als Aktricen oder Erzählerinnen auf, sondern nehmen sich völlig zurück und animieren Figuren und Material. Es wird auch mal an Wände und Decke projeziert, z.B. mit Lichtreflexen von farbigen Folien.
Langer warmer Beifall, Blumen und Geschenke. Und Gedenken an Günther Lindner. Der wohl irgendwie doch dabei war.