50 JAHRE BERLINER
KASPERSCHULE
(3.6.2022, Achtung, der Text wurde zeitweise durch anonyme Hinzufügungen sinnentstellt - Virus?)
So selbstironisch wie im Titel geht die
"Abteilung zeitgenössische Puppenspielkunst der Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch"
mit sich und ihrem Metier selten um. Und zum 50. Jubiläum wird vielleicht nach langer Zeit auch mal wieder einiges in den Medien dazu auftauchen - während sonst geschwiegen wird. Durchaus auch VERSCHwiegen, während die Ballettschul-Probleme öfter Thema sind. Ist ja auch Hochkultur.
Die Jubiläums-Elogen mögen andere formulieren - ich halte deutliche Kritik für wichtiger. Und konstruktiver.
Ich habe bei Ernst-Busch-Puppe im ersten Jahrgang studiert und absolviert und danach 23 Jahre lang Lehraufträge im Hauptfach angenommen. (Von meinem Unterricht 1975 sah man kurz etwas im MDR-Kurzfilm „Kasper als Prolet“ 2022). Ich habe der Berliner Schule als erster auch internationale Meriten erworben (Festivals: 1975/77 Polen, 1978 Avignon Frankreich, 1980 Washington/New York USA).
Ich beobachte an dieser Hochschulabteilung und an der SCHAUBUDE, dem großen Berliner Puppentheater, eine Tendenz zur
wo sich bestimmte Kräfte ungehemmt durchsetzen und Kritik eliminieren können, toleriert durch die Berliner Kulturpolitik. Für die das Metier inzwischen abgehängt und der Beachtung nicht wert ist, wie sich immer wieder zeigt.
Nach der HS "Ernst Busch" war ich übrigens - als einziger Deutscher in diesem Umfang - auch drei Jahre Haupt-Professeur an der Französ. Schwesternschule ESNAM.
Lange galt das Puppentheater Neubrandenburg, das ich 1976/77 durch glückliche Umstände mit Gleichgesinnten gründen konnte, wo erstmals in der DDR regelmäßig sowohl für Erwachsene wie Kinder gespielt wurde, als wesentlichste Hervorbringung der Ostberliner "Fachrichtung Puppenspiel". Der wohl wichtigste internat. Puppentheater-Publizist Dr. Henryk Jurkowski schrieb in "marionnettes" (Paris 1994, umfänglichstes Kompendium zum Metier) zunächst, das Puppentheater der DDR sei im internat. Vergleich das "konservativste". Und weiter:
"Die Arbeit der Berliner Schule hat auch das Gesicht des ostdeutschen Puppentheaters verändert. (...)
Das bezeichnendste Beispiel dafür war die Arbeit des jungen Puppentheaters von Neubrandenburg, inspiriert von Peter Waschinsky, Anhänger der bewußt eingesetzten szenischen Illusion. Seine Konzeption war direkt der Brecht-Theorie entsprossen: Ohne szenische Illusion ist kein Verfremdungseffekt zu verwirklichen. Diese Konzeption fand ihren vollständigen Ausdruck in der Regie zu "Furcht und Elend des Dritten Reiches" von Brecht (1980)." (Kapitel zur Lage in Osteuropa)
Was waren oder sind die Probleme bei der Ausbildung:
1. Die Methodik war erst in der Entwicklung, osteuropäische Konzepte griffen kaum. Nach einigen Ansätzen des hiesigen sog. "künstlerischen Puppenspiels" - im Gegensatz zum "volkstümlichen" - im frühen 20. Jh. wurde hier erstmalig eine akademische Ausbildung begonnen - in allen anderen Kunstsparten längst gängig und weit entwickelt. Puppentheater war lange das Theater der unteren Volksschichten, ihre Bildung entspr. angepaßt und entspr. von den Gebildeten abgewertet. Diese Ideologie greift heute wieder stärker.
2. Diese Entwicklungsverzögerung wird in der öfftl.Wahrnehmung oft nicht berücksichtigt, da ist Minderqualität auch in der Presse oft nur individuelles Unvermögen, nicht auch historisch bedingt. Oder Puppenspiel wird abgewertet, indes es aufgewertet wird ("Für einen Neger spielte er ganz gut").
3. Die nachholende akademische Entwicklung von Perfektion wird "gestört"
a) durch an sich positive Rückbesinnung auf Traditionelles, vor allem das bewußt grobe Jahrmarkts-Kaspertheater,
b) durch antiperfektionistische Tendenzen der Moderne., da wird als "kreativ" oder einfach "locker" bemäntelt, was manchmal nur schlecht ist (Michael Hatzius - Die Echse - schrieb in den Nuller Jahren in seiner Diplomarbeit, trotz ausführlichen Unterrichts würde oft schlampig und eingleisig animiert), oder unterschiedliche Stilrichtungen werden gegeneinander ausgespielt und nicht als gleichberechtigte Varianten gesehen.
c) durch Ausweichen auf Schauspiel, was manchmal ästhetisch interessant ist oder war, aber letztlich nur als Grundlage des Puppenspiels nützlich ist. Oft ist es nur Ausdruck von Minderwertigkeitskomplexen der Puppenspieler.
Es gab aus meiner Sicht in der Berliner Puppenspieler-Ausbildung immer Personalprobleme, zunächst verständlich, da 1971/72 fast bei Null begonnen wurde. Manchmal benutzen Professoren und Lehrbeauftragte die Studenten eher als Objekte ihrer Regieambitionen. Und die Studenten, die vor dem Studium oft gar keine Berührung mit dem Metier hatten, haben in der Berliner Puppenspielpraxis viel zu wenig Beispiel, an dem sie sich orientieren können. Kurz: Die Ausbildungsprobleme sind auch solche des real existierenden Berliner Puppenspiels, was hier beschrieben wird, um die Hochschulprobleme verständlich zu machen.
In der og "Deutschen Puppenspielgeschichte" (EF Kratochwil 2012) wird erwähnt, dass ich nach der Wende - die Existenz des großen Ostberliner "Staats"-Puppentheaters stand in der Diskussion - vorschlug, daraus ein flexibles Projekttheater für Freie Puppenspielgruppen ohne festangestellte Künstler zu machen . Das wurde es dann in einem Prozeß voller Querelen auch - unter radikalem Geldentzug durch eine niedrig gesinnte Politik, die im Nachwende-Chaos das Flexibilisierungs-Konzept schamlos mißbrauchte. Aus dem qualitativ bedenklichen, aber immerhin noch Theater war eine Abspielstätte geworden. Zunächst entstanden noch einige wenige Ensemble-Inszenierungen, seit 25 Jahren faktisch nicht mehr. Hinter "innovativer" Fassade wurde Puppenspiel wieder auf Miniproduktion mit ein oder zwei Spielern reduziert. Im Politikerdenken ist das Metier heute wieder "Kasperletheater". Ist da in einer Stadt mit drei Opernhäusern der Begriff „Genre-Rassismus“ übertrieben? Dazu s.u.
1973 hatte ich erstmals mit "Feuerzeug" ein völlig offen gespieltes Puppenstück gezeigt - der Trend war zumindest in Osteuropa Mode - und legte 1976 mit meinem extrem minimalistischen Solo "Regenwürmer" nach, das ich in der halben Welt spielte (nachdem es in der DDR offiziell als zu modern abgelehnt wurde). Aber 1977 eröffnete ich das neue Puppentheater Neubrandenburg als dessen künstlerischer Leiter wieder mit nichtsichtbaren Spielern, was quasi zu einer höheren Qualität im eigentlichen Puppenspiel zwang. Das Ensemble trainierte sein Handwerk täglich (!!!), was es im deutschen Puppenspiel nie gegeben hatte - und seither nicht wieder gab.
Ich war gleichzeitig ständiger Lehrbeauftragter an der Puppenspielabteilung und formte meine Lehrmethodik in ständigem Praxisbezug zu meiner Ensemblearbeit und meinem Solospiel. Ich setzte das Fach "Puppenspieltechnik" durch - etwa vergleichbar dem Tänzertraining an der Stange.
Um 1990 bot mir der damalige Rektor Veth die Abteilungsleitung Puppenspiel an - das wollte ich nicht, arbeitete aber weiter als Lehrbeauftragter. Während ich in der Praxis in sehr unterschiedlichen Puppenspielformen bestand (gelegentlich auch mal als reiner "puppenspielfreier" Akteur), an ganz großen Häusern wie am nichtsubventionierten Hackeschen Hof-Theater, wurde das an der Abteilung zunehmend ausgeblendet und ich zum Lehrtrottel abgewertet, weil ich weiter den Unterschied zwischen Lehre und (Pseudo-) Praxis hochhielt. Die Abteilung wurde mehr und mehr Ghetto, wo zB eine fragwürdige „Puppenspiel=Synergese“-Theorie gelehrt wurde. Aber während in der ebenfalls "synergetischen" Oper niemand die Priorität der Musik bestreitet, drohte die Animation / Verlebendigung des Materials als Puppenspiel-Basiselement in der Synergese - manchmal nur noch multimedialer Brei - unterzugehen. Und "Moderne" war, wenn ganz viel geschauspielt wurde. Was früher Horizonterweiterung war, wurde zur Verengung, was dem Puppenspiel und seiner handwerklichen Entwicklung deutlich schadete: Immer wieder gibt es bis heute für Puppenspielprojekte kaum Mitspieler - in keiner anderen Theatersparte denkbar.
1998 beendete ich meine Berliner Lehrtätigkeit nach 23 Jahren ohne Aufhebens - und wurde sofort von der französisch/internationalen Schwesternschule ESNAM geholt, einer National- also Elitehochschule. Ich hatte als einziger Deutscher in diesem Umfang die Gelegenheit, querelenfrei an einer ganzen Promotion von Anfang bis Ende meine Lehrauffassung zu überprüfen. Mit Erfolg bei Studenten und Hochschulleitung, auch wenn ich auch hier kritisch blieb, gerade gegenüber elitären Ansätzen, was sich dort auch in der Presse widerspiegelte ("Hat der Berliner Puppenspieler den Finger auf die Wunde gelegt...?)
In Berlin wurde das ausgeblendet, wie zuvor meine erfolgreichen Inszenierungen an der Schaubude. Und als dort immer mehr Puppenspielstudenten auf Schauspiel orientierten, während die teilweise über die Wende geretteten ostdeutschen Puppenspielensembles händeringend Nachwuchs suchten, förderten die Ernst-Busch-Puppenspiel-Dozenten latent den "Schauspieldrang".
Warum?
1. es gab oder gibt zeitweise zuwenig talentierte und motivierte Puppenspielbewerber, deshalb wurden abgelehnte Schauspielbewerber "umorientiert". Nils Dreschke am Puppentheater Halle ist eines der wenigen positiven Beispiele. Meistens aber klappte das so gut wie Schwule auf Hetero umzutherapieren (in Deutschland gottseidank verboten). Da kippte manchmal die Stimmung unter den Studenten in regelrechte Puppenspielfeindlichkeit. (Als ich einmal eine ehem. Puppenspielstudentin auf der Straße unbefangen, "Na, machste noch Puppenspiel?" fragte, rief sie empört: "Aber das habe ich doch noch nie gemacht!") Diese latente Abwertung des eigenen Metiers taucht immer wieder auf und scheint sich an Hochschulabteilung und Umfeld wie ein unausrottbarer Pilz eingenistet zu haben.
2. Die Studenten sind die Legitimation für die hochdotierten - vor allem im Vergleich zur Einkommens-Realität von Puppenspielern - Professorenstellen. Da wurden manchmal auch offensichtlich ungeeignete Studenten beibehalten, die man verantwortungsvoll auf einen anderen Beruf hätte orientieren müssen. (Inzwischen höre ich aber auch von fragwürdigen Exmatrikulationen leistungsstarker Studenten).
Die Ausbildungsergebnisse der Abteilung sind sicher nicht nur schlecht - es ist eine Frage des Maßstabs. Ich bemängele Defizite in zweierlei Hinsicht:
1. Sind - zumindest bis vor kurzem - zu wenig "Normal-Puppenspieler" für Ensembles dabei herausgekommen, vor allem für die wenigen verbliebenen staatlichen / städtischen (Ost-) Puppentheater. Noch vor wenigen Jahren suchte zB das Puppentheater Chemnitz mit seinen relativ attraktiven Arbeitsbedingungen Puppenspieler, ggf. "Quereinsteiger", dh Laien. Das ist nach 50 Ausbildungsjahren beschämend. Mit ca. 50 Profis wäre der Bedarf der staatl./städt. Ensembles abgedeckt. Es müßten aber, bei ca. 10 Studienplätze jährlich und vorzeitige Abgänge usw. abgerechnet, mindestens 300 ausgebildet worden sein.
2. Es gibt einige sehr ausgereifte Individualisten, aber kaum wirklich exzellente Virtuosen wie - Pardon! - mich. Zuletzt profilierte sich vor ca. 15 Jahre Lutz Großmann mit einem großartigen und zu Recht bejubelten Handpuppenstück ("Kasper tot - Schluß mit lustig") mit bestbeherrschtem Handwerk. Ich denke, auch Elite zu fördern ist Aufgabe einer solchen Hochschule.
Aber in dieser Richtung ist eigentlich nur noch das Paul-Klee-Stück „Über den Klee“ mit Prof. Melanie Sowa und Friederike Krahl zu nennen (Nuller Jahre). Außerdem sicher Suse Wächter mit technisch relativ unkomplizierten, aber bestens gespielten und nicht zuletzt von ihr gestalteten Puppen, oft in kleinem Ensemble.
Es gibt natürlich einige allein oder zu zweit erfolgreich spielende, solide Puppenspieler, bevorzugt für Kinder.
Was machen die anderen Absolventen aus 50 Jahren? Keiner weiß es richtig. Viele vergößern das Heer arbeitsloser Schauspieler, manche scheitern mE, weil von Professoren - selber in hochdotierter Festanstellung abgesichert, völlig im Gegensatz auch zu höchst erfolgreichen Puppenspielern - auf eine Karriere als individualistische Festival-Existenzen orientiert. Meist eine Illusion.
Daß hier etwas ziemlich schiefliegt, zeigt sich schon darin, daß in der Ausbildung Kinder-Puppenspiel faktisch nicht vorkommt, das in der Praxis aber ca. 90 % ausmacht. (Das schreibe ich als ehem. künstl. Leiter des ersten regelmäßig auch für Erwachsene spielenden DDR-Puppentheaters, der auch seine gesamte lange Karriere überwiegend mit Erwachsenen-Puppenspiel machen konnte und es damit zeitweise in Berlin zu astronomischen Aufführungszahlen brachte, wie ab 2001 am Hackeschen Hof-Theater mit bis zu 80 Vorstellungen eines Stückes - höchst selten schafft es in der Schaubude ein Stück auf 10).
Um 2000 protestierte ich gegen die "Verschauspielung" der Puppenspiel-Abteilung, viele Kollegen schlossen sich an, auch zwei Puppentheaterchefs. Darunter der Intendant des Puppentheaters Magdeburg - Brief an Rektor Völker:
„... nach nun doch mehrjährigem Unverständnis, gestatten Sie mir einige kritische Anmerkungen zur Ausbildung der Studenten der Abt. Puppenspielkunst.... Aktueller Anlaß meines Briefes ist die diesjährige Diplominszenierung der Abt. Puppenspielkunst... dass es uns nicht möglich gewesen ist, die Spieler bezüglich ihrer Qualifikation im Umgang mit dem Material, der Figurenführung zu beurteilen... wurde uns auch durch Studenten bestätigt, dass sie, hier am konkreten Beispiel, lediglich eine Handpuppe als „ Schuhputzlappen“ benutzen... WIRD in Gesprächen mit Studenten und auch Dozenten immer wieder bestätigt, dass die Projektarbeit an Kinderinszenierungen viel zu kurz kommt bzw. überhaupt nicht stattgefunden hat... Vorstellungsbesuche, auch der Dozenten, in den Puppentheatern, außer in denen man vielleicht Gasttätigkeiten ausübt, erfolgen nicht...
Ähnliches kam auch von Absolventen.
Ich hatte mich damit vor allem FÜR die staatl./städt. Ensembles engagiert, die Nachwuchs brauchten.
Der damalige Abteilungsleiter Lorenz reagierte mit einer internen Verleumdung beim Kultur- und Bildungssenat, die nur durch Zufall – ein neues Gesetz – ans Licht kam, nachdem ein Senatsdirigent Kleber sie als quasi sachliche Widerlegung unserer Argumente gewertet und das ganze gedeckelt hatte.
In dieser Gegendarstellung des Abt.leiters der Puppenspielabteilung waren wir alle "verstaubt" und ich fachlich und pädagogisch unter der Norm (nachdem Abteilungsleiter Lorenz mich 23 Jahre lang geholt hatte). Kraß wurde es, als mir darin Gewaltbereitschaft gegen Studenten, sexueller Übergriff andeutend, unterstellt wurde.
Es folgten meinerseits jahrelange Klärungsversuche. Irgendwann war der Abteilungsleiter es nicht mehr - und rächte sich ua durch Einflußnahme in der Puppenspielszene, wo ich keine Arbeit mehr fand (auch der oben zitierte Magdeburger Intendant kippte später um).
Dafür spielte ich in "Shockheaded / Struwwelpeter", einer Musik-Schauspiel- Puppen-Produktion am Hamburger Schauspielhaus ab 2000, bald nach Zuschauerzahlen und Jubelpresse erfolgreichstes Stück mit Puppen im deutschen Subventionstheater.
Aber trotz einer höchst erfolgreichen, auch auf Arte gesendeten Opern-Uraufführung mit Puppenspielern und Sängern, Mendelssohns "Soldatenliebschaft" (2008/10) war meine Puppenspiel-Karriere vorbei. Zeitweise auf Hartz-4-Niveau existierend, ändert sich gerade jetzt alles wieder: Ich hatte früher meine hohen Gagen in einer Immobilie angelegt, deren Wert inzwischen auf das Vielfache gestiegen ist. Glück gehabt.
Es geht hier nicht vordergründig um mich als Opfer.
Mich erinnert der Umgang mit den Puppenspielern, die wieder einzeln oder zu zweit durch Kitas ziehen und eine Art Kindertheater-Grundversorgung zu Tiefstpreisen leisten, an das Konzept der Nazis, die Ostvölker zu erhalten - als billige Arbeitssklaven .
2021 will ich für das Puppenspielmagazin PMO Puppenspieljugend interviewen und sie ihre Sicht äußern lassen. Ich hatte immer wieder - wahrscheinlich als einer der häufigsten unter Puppenspielern usw. - Vorspiele besucht und teilweise ausführlich beschrieben. Dabei schickte ich - wie bei den Profis - die erste, ggf. schlechtwertende Fassung der Hochschule und veröffentlichte nur eine überwiegend positive Version, bzw. überhaupt nichts.
Mehrere angeschriebene Studenten / Absolventen reagieren gar nicht, bzw. über Dritte ablehnend, also auch eine Studentin, die mir das aber per Mail begründet. Für mich verdichtete sich erstmals in solcher Deutlichkeit der Eindruck von
Die Studentin bezieht sich auf mein Stück "Zigeunerleben...", was sie als einziges gesehen hat - zahlreiche Videos und Fotos im Netz nicht - und schließt daraus, ich sei nur angeblich eine Koryphäe. Das gesehene Stück war ausdrücklich KEINE Inszenierung, sondern eine szenische Lesung mit Puppen, was sie aber ausblendet. Ebenso die Thematik: Die latente Verdrängung des Holocaust an den Sinti/Roma/Zigani "zugunsten" der jüdischen Opfer.
Meine aktuelle interne Kritik über das Vorspiel ihres Studienjahres, wo ich zwei von sieben Beiträgen grundsätzlich in Frage stelle, bewertet sie erstaunlicherweise als gut, meint aber zwei Zeilen weiter, ich würde in meiner Rezension nur Krieg mit der Puppenspielabteilung führen und meinen Groll ablassen. Ich bitte sie, mir dafür Beispiele zu nennen - keine Antwort.
(Dagegen: "...Aus Ihren Texten spricht viel Erfahrung und Interesse an dem Genre und ein kritischer Geist. Bleiben Sie uns gewogen."schrieb mir zur genannten Vorspiel-Kritik die damalige Büromitarbeiterin der Abt. - kurz darauf ist ihre Stelle neu besetzt, Zufall?),
Meine gelegentlichen Protestaktionen an der Schaubude findet die Studentin unverständlich - ich hatte mich sehr klar gegen Eventkultur (ständiger Programmwechsel ohne wirkliche Eigenproduktionen, Leuchtturmkonzept), meist auf Flugblättern zusammengefaßt, geäußert.
Es wirkt, als hätte sie im Auftrag von Puppenspielabteilung und Schaubude geschrieben. Bei letzterer hat sie einen Nebenjob. Nunja...
(Gelsenkirchener Barock nannte man ironisch in den 30er bis 50er Jahren gewisse scheingediegen-protzige Industriemöbel für den kleinen Mann)
Am "Musiktheater im Revier" in Gelsenkirchen wurde vor wenigen Jahren ein Puppenspielensemble gegründet. Das interessierte mich, ich habe viel mit Musikern gemacht, hatte zweimal eigene Formationen und 2008 eine nachgelassene Oper von Mendelssohn in Gera uraufgeführt, mit Sängern und Puppenspielern, 2010 auf ARTE gesendet: "Soldatenliebschaft".
Mittlerweile nur noch interessierter Rentner, biete ich dem Gelsenkirchener Intendanten Hilfe an. Keine Reaktion. Eher unfreiwillig stoße ich nach und nach auf Ungereimtheiten und es zeigt sich: Die Gelsenkirchener Puppensparte ist eher ein potemkinsches Dorf um eine NRW-Sonderförderung: Eine einzige Frisch-Absolventin von Ernst-Busch-Puppe ist Chefin, das "Ensemble" sind zwei Puppenspielstudenten im Praktikum - dazu zwei Schauspieler ohne jeden Puppenspielbezug in der Vita. Für einige Inszenierungen werden Puppenspielergäste eingekauft, gerne auch (billige?) Studenten.
Pardon, aber auch ich war öfter Gast in sowas, zB in drei Stücken am Hamburger Schauspielhaus, darunter die Junk-Opera "Shockhaeded Peter" in dt. Erstaufführung, ohne dass das gleich als neue Sparte verkauft wurde. Und für das Broadway-Musical „Avenue Q“, auch am TiM, werden überall Sänger oder Schauspieler einfach angelernt in Klappmaul-Puppenspiel, der allereinfachsten Technik, die aber auch bei Puppenspielprofis eine der beiden Haupttechniken ist. Auch bei Ernst-Busch-Absolventen. Da muss man nicht viel üben.
Gerade am Gelsenkirchener Repertoire zeigt sich immer wieder, wie dort problemlos Nicht-Puppenspieler puppenspielen. Aber warum dann eine 4jährige Hochschulausbildung? Für die gerade das TiM-Puppentheater immer wieder als Supererfolg vorgezeigt wird.
Immer wieder gibt es dagegen Probleme mit Marionetten (die ich früher oft unterrichtet habe, ich habe auch einen Kurs ins Internet gestellt, vor allem damit erfolgreich inszeniert). Nachdem ich 1990 nicht Abteilungsleiter sein wollte, bewarb ich mich aber 2005 als Dozent. Genomen wurde Astrid Griesbach, die sich eher - auch nach eigener Aussage - als Schauspielregisseurin sieht, Spezialität: Masken. Ich verstehe davon auch was (Zusatzausbildung in Pantomime am Pantomimeensemble des Deutschen Theaters), habe auch viel Spiel- und Regie-Praxis in Genre-Mischungen - kann aber auch, anders als Griesbach, die dringend benötigte Puppenspiel-Detailausbildung leisten. Aber sie ist eher, was man sich unter "modern" vorstellt, auch wenn mir niemals offen das Gegenteil unterstellt wurde.
Und so geben 2021 völlig Ahnungslose Marionetten-Szenenstudium - man hatte die Ausbildung von Lehrbeauftragten versäumt. Eine betroffene Studentin bestätigte meinen Eindruck: Der Dozent konnte ihr nichts vermitteln.
Zu dieser Zeit wird in einem anderen Zusammenhang ein anderer früherer Absolvent auffällig besser behandelt als ich. Er hat als Stasi-IM Kollegen nachweislich deutlich geschadet - ich war eher oppositionell, ohne das sonderlich zu betonen. Dazu und zur Marionettenproblematik sieht die Hochschule (Rektorin und Abt. Leiter) keinen Handlungsbedarf.
Und - hier wird es endgültig indiskutabel - auf mein Angebot eines Marionettenkurses für Nachwuchsdozenten antwortet Abt.leiter Markus Joss nicht.
PS:
Klimabestimmend für das Berliner Puppenspiel war 2018 die Umwandlung des zweitgrößten Berliner Puppentheaters „Hans-Wurst-Nachfahren“ in ein weiteres Tanztheater. Die Leitung ging in Rente, das Haus sollte vom Besitzer anders genutzt werden - er gewährte aber Aufschub um 5 Jahre. Klaus Lederer hatte sich engagiert - aber wofür wirklich? Ganz offensichtlich für das Tanztheater.
In der extrem kurzfristigen Ausschreibung kamen von 8 Bewerbern 7 aus dem Puppenspiel - den Zuschlag im in vielerlei Hinsicht anrüchigen Prozeß erhielt die Nicht-Puppenspielerin. Der Spielplan des nunmehrigen "Theater Feld" ist inzwischen bunt gemischt. Warum nicht - aber warum mußte dafür ein weiteres Puppen-Theater eliminiert werden?
Etwa gleichzeitig bekam ein als "Puppenspiel" deklariertes Freies Projekt 70.000 € Senatsförderung - soviel wie nie ein anderes in diesem Genre. Als ich es besuche, stellt es sich als reine Installation ohne jeden Puppenspielbezug heraus. Beide Jurys – für die Installation und für die „Hans Wurst“-Umwandlung – waren teilweise personell identisch.
Es bestätigte die Puppenspiel-Ausrottungs-Orientierung der Berliner Kulturpolitik.
PS: Mittlerweile war zu erfahren, daß MELANIE SOWA, nach eigener Äußerung ohne Ahnung davon, jetzt Marionette unterrichtet. Ich hatte vor Monaten angesichts des vorjährigen Desasters angeboten, Kurse für Nachwuchs-Dozenten zu geben. Keine Reaktion.
Um nicht zu pauschalisieren, wie im deutschen Puppenspiel üblich: Melanie Sowa ist eine hervorragende Puppenspielerin - vor allem ihr Handpuppenstück "Über den Klee" wurde bestens bewertet, auch in meiner Rezension. Auch ihre Arbeiten mit Studenten waren immer gut, zumindest solide gearbeitet. Warum wurde ihr jetzt ausgerechnet die ihr fremde Marionette unterstellt und damit dem abstrusen Agieren der Abteilungsleitung?
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PS Juli 2022
Im Fidena-Portal gibt es etwas versteckt unter "Porträt" eine Art Rezension der Ernst-Busch-Puppe-Jubiläumsfeierlichkeiten
https://www.fidena.de/portal/portrait/mn_3?mode=object&objectID=fd08c141_ecc8_62f0_f14cc5d3a3f2c7c1
Mein Kommentar, dort gekürzt, ist vollständig hier zu lesen:
ALLES SUPER, HERR REZENSENT!
Oder? Auch nach 50 Jahren ist die Abteilung nicht in der Lage, den Puppenspielerbedarf zu decken. Dafür umgibt die Szene ein Graubereich von Absolventen, die als meist arbeitslose Schauspieler – oder ganz anderes – Puppenspielverachtung verbreiten.
Ist Ernst-Busch-Puppe mit den 4jährigen Studenten – zu kurz, um die luxuriöse Studiensituation als Blendung zu verstehen und Ausbildungs-Defizite wirklich wahrzunehmen – primär dazu da, über die desaströse Situation der Berliner Puppenspielpraxis hinwegzutäuschen?
Wo nach der Wende Flexibilisierungswille aus der Szene schamlos mißbraucht wurde, um primitiv abzubauen und Ensembleproduktionen als zumindest e i n e Puppenspielmöglichkeit fast unmöglich zu machen, bis es seit 1997 die Schaubudenleiter Brendenal und Sandweg auch gar nicht mehr wollten? Und 2018 in einem üblen Intrigenspiel von Darst.-Kunst-Jury, Lederer und Kulturstaatssekretär Wöhlert das letzte Ensemble-Puppentheater – von allerdings vielerseits kritisiertem Niveau – „Hans-Wust-Nachfahren“ brutal zu eliminieren.
Puppenspiel, lange fast ausschließlich das Theater der armen, aber auch ungebildeten Unterschicht, erst im 20. Jh. in Ansätzen als gleichberechtigt behandelt, wurde in Berlin wieder hemmungslos zum Kinder-Billigtheater degradiert. (Gehört Klaus Lederer zu einer Schwulen-Generation, die um Anerkennung kaum noch kämpfen mußte und die Probleme anderer Minderheiten, wie der der Puppenspieler, nicht versteht?)
Ernst-Busch-Puppe hingegen, als Anhängsel der Schauspielausbildung und ihrer Privilegien, ist nicht nur, aber auch, ein Ghetto, das Zentrum der Berliner Puppen-Parallelgesellschaft, wo fürstlich honorierte Professoren Studenten direkt oder indirekt eine toll-kreative freiberufliche Zukunftsmöglichkeit vorgaukeln. Und wo eben diese Professoren offensichtlich für ein Paradestück die Hochschul-Luxus-Situation nutzten (die sie sich in der Berliner Praxis erst schwer organisieren müßten) und wieder mal die ewig zitierten „diversen Möglichkeiten des Puppenspiels“ auf die ewige Einheitslösung Tischpuppe reduzierten, also die abgeschnittenen Marionetten. Während die wirklichen an Fäden inzwischen von Ahnungslosen unterrichtet werden.
Daß sich die Berliner Kultur- und Bildungspolitik für die tatsächlichen Probleme – wie das wiederholte Marionetten-Desaster – des in Wahrheit weiterhin verachteten Genres nicht interessiert, wurde wieder deutlich, ebenso das inzwischen völlige Desinteresse des Berliner Feuilletons, das über das Jubiläum schwieg oder statt ein wenig Recherche – wie über die Ballettschulprobleme, aber das ist ja auch w i r k l i c h e Hochkultur – das Ernst-Busch-Puppe-Selbstlob abdruckte oder nachplapperte, obwohl eine andere Meinung formuliert vorlag und der Presse zuging. Nämlich meine.
Des ersten und lange Zeit einziger Absolventen, der Abteilung auch internationale Meriten einbrachte und nach 23 Jahren Unterricht dort als einziger aus diesem Kreis auch einmal länger an einer anderen Hochschule teilgenommene, nämlich 3 Jahre als „Leit-Professor“ an der französischen Nationalhochschule für Puppenspielkunst ( ESNAM).