Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

(Jan. 23) Kasparett 1979 - 2022 / Zazie in der Metro mit Puppen / Alter Hase - Ballett der Ehemaligen / Sinti/Roma/Zigani im Tagesspiegel

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Für den KASPERGIPFEL, September 2022 (Puppentheatermuseum Bad Liebenwerda & Kulturministerium Brandenburg, Anlaß: Der Kasper als Spielprinzip war zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt worden) hatte ich ein altes Stück von 1979 hochgeholt. In DaT, Zeitung der deutschen UNIMA-Sektion, schrieb Antonia Napp über

„Kasparett – Deutschland ein Kaspermärchen“.

„... das war trotz des Alters von Spieler und Stück überhaupt nicht verstaubt... hatte Waschinsky damals die Kasperfigur durch Momente der deutschen Geschichte gejagt ... Die wenigen Szenen, die Waschinsky in Bad Liebenwerda im schmucklosen Konferenzraum mit nackten Fäusten nur andeutete, waren beeindruckend in ihrer handwerklichen Präzision und Aussagekraft. Das Anarchische des Kaspers sei, so Waschinsky, gerade das Progressive der Figur. ...“

Demnächst noch einmal am Fritzenhagen-Theater, s. Spielplan

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UNIMA auf dem Weg zur VOLKSGEMEINSCHAFT? Keiner meckert und alle haben sich lieb? Hoffen wir daß das nur im 10-Minuten-Trailer von der 6. Figurentheaterkonferenz ein bißchen so erscheint. https://www.youtube.com/watch?v=3rXWV-XseNU

Als ich vorher anbot, als Berichterstatter teilzunehmen, wurde das abgelehnt: Hier solle kreativ im wertungsfreien Raum... usw.. Also: Nichts Kritisches! In meiner Erfahrung setzen sich dann aber tendentiell doch bestimmte Meinungen usw. durch - warum nicht offen damit umgehen? Damit nicht die "falschen" dominieren? Erinnert  zumindest zumindest mich an die "sozialistische Menschengemeinschaft" der DDR.

 

Inzwischen gabs - mit leider geringer Teilnahme, warum wohl? - einen UNIMA-Zoom mit der Puppenspielfrau Chia-ying Cheng über die Situation des Metiers und seiner Ausbildung 1) in Taiwan. In ihren Videos erschien dieses Puppenspiel so vielfältig wie das europäische, teils deutlich asiatisch gefärbt, nicht nur im Traditionellen. Aber alles war so Clipartig kurzgeschnitten, daß man vom eigentlichen Spiel kaum sah, wie gut es ist oder auch nicht. Auf meine entspr. Nachfragen bestätigte sie recht unbefangen, ja, viele Puppenspieler bzw. -studenten wären eigentlich auf Schauspiel orientiert. Und die Spieler-Gesichter beim offenen Spiel sollten neutral sein - manche Regisseure wollen aber auch das Mitspiel das Akteurs. Jedenfalls wurde offen dazu gesprochen und eine gewisse Beklemmung  in der recht kleinen Runde, moderiert von A. Th. Gottschalk, legte sich...

1) Woher nehmen eigentlich die Ernst-Busch-Puppe-Dozenten die dauerhafte Chuzpe, solche Informationsmöglichkeiten grundsätzlich zu igrnorieren?

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Im Berliner Off-Theater ACUD: „Zazie in der Metro“ von Raymond Queneau ist legendär - als Buch und Film. Entsprechend hoch wäre die Fallhöhe bei Mißlingen der Puppenspielumsetzung.

Die 8jährige Zazie kommt nach Paris, um endlich Metro zu fahren, aber die streikt. Dafür wird Zazie in einen immer verrückteren Strudel von Ereignissen gerissen.

Ein paar Zuschauerinnen kreischen bei fast jedem Satz. Auf Speed? Nein, Puppenspiel-Studentinnen. Aber auch die anderen folgen amüsiert, lassen sich von diesen quasi verpflichtenden Vorlachern nicht blockieren, wie ich es schon erlebt habe.

Die beiden Puppenspielerinnen Odile Pothier und Gerda Pethke sowie Lotta Lechtenberg als outside eye, was wohl Regie meint, setzen den Text höchst einfallsreich um, variieren offenes und verdecktes Spiel mit einigen Gummiköpfen, in denen die Spielerhände stecken. Dieses „andere“ Handpuppen-Prinzip, von H.J. Menzel nicht erfunden, aber bekanntgemacht, hätte allerdings manchmal Nuancierteres hergegeben, im Kontrast zum oft absurden Action-Chaos. Dafür könnte ich mir statt der realistischen Puppen – mit denen unsereins in den 70ern gegen die Einheits-Kullerköpfe revoltierte, die aber heute längst Standard sind – etwas frech Comichafteres denken.

Großartig, wie Musiker Florian Seefeldt das umgebende quirlige Paris darstellt, den Resonanzraum des Geschehens so erweitert, daß es nicht mehr nur ein Zweipersonenstück ist und der eigentlich trist-leere Bühnenraum gefüllt scheint.  

Überhöhung und Unbefangenheit herrscht z.B., wenn beim Mittagessen die Pommes frites wie von Hühnern „gepickt“ werden, reales Essen gar nicht erst versucht wird, und wenn am Ende die Köpfe durch die Luft fliegen, erst im Müll entsorgt, zu Bomben werden – oder wars umgekehrt?

Dieser äußeren Intensität entsprach nicht immer die innere, Texte blieben unverständlich, der Sprachsound blieb trotz allem Chargieren etwas gleich. Aber das kann sich im weiteren Spielen entwickeln, das man ihnen sehr gönnen möchte.

Obwohl auch sie sich im Netz auf so „neumodischen Kram“ wie Physical Theatre beziehen, ist bemerkenswert, wie in ZAZIE das Puppengenre eben NICHT permanent für kurzschlüssige Ideen verlassen wurde, wie bei manchem angesagten Puppenspiel-Regisseur, sondern immer wieder Lösungen im Metier gesucht wurden. Das ja allzuoft Möglichkeiten bietet, wo sie erschöpft scheinen.

Unbefangen blieb auch der Umgang mit heutigen „heißen Eisen“, wenn Zazie kindlich frech Übergriffe durch Erwachsene erfindet – da gabs keine Correctness-Schere.

Etwas verschenkt war für mich zunächst des Onkels Beruf. Als ich damals im Buch las, wie dieser gutmütige ältere Mann seinen Job nannte, war es ein Knaller; jetzt war er einfach nur Cabaret-Tänzer. In der damaligen Übersetzung: „Schönheitstänzerin“.

Wunderbar schräg war dann allerdings sein Show-Auftritt: Die beiden Spielerinnen verrenken sich zu allerlei Getier, das seinen  Kopf – den des Onkels - an alle möglichen Körperstellen bekommt. Einschließlich Geschlechtsteil. 

 

Ein Puppenspiel, wie ich es gerne weiterempfehlen würde - aber es wird erstmal nicht mehr gespielt - wohl aus Spielstättenmangel, wie so oft. Nunja, dafür muß in der SCHAUBUDE, zentrales Berliner Puppentheater derzeit ein puppenspielfreies Tanzstück gespielt werden. Das ist Diversität im Verständnis des Pseudo-Linken Lederer, der 2018 aus dem zweitgrößten Berliner Puppentheater eine weitere Tanzbühne machen ließ.
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Im Berliner Tanzzentrum DOCK 11:

ALTER HASE - Ballett für 5 Ehemalige

Tanz, aber kein englischer Titel und kaum Abgehobenes in der Ankündigung, sondern: Ballettänzer nach der Karriere, klare Sache.

Tänzerkarrieren enden mit ca. 40. Weil sie das Knie nicht mehr ans Ohr kriegen? Habe wohl nicht nur ich mich öfter gefragt. Das quasi Staatsballett von Holland hat drei Kompanien, hörte ich, eine davon mit älteren Tänzern. Da geht dann vielleicht nicht mehr „Schwanensee“. Aber eben was anderes.

Auch von den fünf ALTEN HASEN hier tanzen / arbeiten noch zwei, einer ist sowieso „Performance-Kollege“, fügt sich beim Tanzen – wenns nicht grade klassisch ist – erstaunlich gut ein.

Zeitweise wird die gewissermaßen Philosophie der Ballettperfektion reflektiert – ist das nur traditionserstarrte Glätte ? – und ob Streß und Qual nötig sind.

Da hätte ich mir mehr von den Extremen gewünscht: Das Leiden unter Drill usw., aber auch die Euphorie, wenn man dem Ideal sehr nahe kommt, die Momente der „Erfüllung“.  

Wenn es um die Methoden verschiedener Lehrer geht, das teilweise Fehlen von Empathie, wie es einer sich selbst bescheinigt, bleibt etwas unklar, wie fiktiv die Personen sind.

Ich konstatiere, daß wohl auch in nachklassischen Tanzformen der Ausgangspunkt der Ballettregeln, in Jahrhunderten entwickelt, noch spürbar bleibt, als ein Bezug auf Maßstäbe, auch wenn man sie scheinbar ablehnt. Daß es vielleicht im Tanz etwas kaum gibt, wie die in anderen Genres spürbare „kreative Befreiung“ von Regeln, ggf. bis dahin, daß jede Korrektur eines Lehrers bzw. später Kritik vom Regisseur oder Rezensent nur noch als Eingriff in Persönlichkeit und Intimität empfunden wird. Weil im Tanz Regel-ierung traditionell tiefer verinnerlicht wurde?

Ich sehe das besonders deutlich im Puppentheater, wo es eine komplexer „hochkulturelle“ Prägung erst seit ca. der Mitte des 20. Jh. gibt und dieser Ansatz immer wieder durch freie Kreativität weggeschwemmt zu werden droht, wirkliche oder vermeintliche. Auffällig, wie sich der „moderne“ Formenkanon dabei droht, auf wenige Varianten zu reduzieren, Diversität nur behauptet bleibt, ebenso, wie Ansätze zur Perfektion, gar Virtuosität, ja schlichte Puppenspiel-Handwerkspflege diffamiert werden. Da wird inzwischen der regelfreie Raum eingefordert, kritische Beobachtung abgelehnt. Damit in Wahrheit bestimmte Machtverhältnisse, zumindest gewisse Dominanzen gewahrt bleiben? Auch durch schlichte Dilletanten, deren Machtpositionen, an nachvollziehbaren Maßstäben gemessen, in Gefahr geraten?

Zurück zu ALTER HASE: Mir war manches zu lang, wie Lajosz‘ Eintritt in die Ballett- wie eine Sportschule, wo es um seine körperliche Eignung, aber nicht eigene Intention ging – da hätte ich gerne mehr von den anderen erfahren: War da auch nur Fremdbestimmung? Was ist mit der kindlichen Faszination über die Bühnen-Schwäne im Tütü, die zumindest anfänglich über die Härten an der Stange hinweghalf? „Everything was beautiful at the ballet“ hieß ein Song im Casting-Klassiker “Chorus line”: Ballett statt häuslicher oder sozialer Misere.

Manche Disproportion lag wohl einfach am selbst mitspielenden Regisseur, was distanzierten Draufblick erschwert.    

Ich gehe ja seit Jahren nur noch gelegentlich ins Tanztheater, erlebe das Genre auch ein bißchen als anderes verdrängende invasive Art – das zweitgrößte Berliner Puppentheater wurde 2018 zu einer weiteren Tanzbühne, wo deutsche Puppenspieler, sprachabhängig und damit wenig auswandrungsfähig, duch ausländische Tänzer, sprachunabhängig, ersetzt wurden – und fühlte mich immer öfter wie außenstehender Gast in einer Sekte, deren Riten ich nicht verstand.

Solche Momente gab es auch in ALTER HASE, eher sprachlos.    

Aber meist konnte man gut folgen.

Und so erschien es mir wie eine Bestätigung meiner Überlegungen: Ist der Tanz mit seinen abstrakten Bewegungen wirklich in der Lage, etwas zu erzählen? Wird das sogenannte „Inhaltliche“ nicht eher von außen ins Tanzen hineinassoziiert?

Warum hat es dann die Pantomime, die eher reale Bewegungen und Vorgänge abstrahiert, so schwer? Während Tanz/Ballett fast ein Massenphänomen ist? Oder ist es das nur scheinbar: Aus einem anderen Bundesland hört man die Aufführungszahl von Freien Tanzproduktionen: 1,8 pro Produktion, d.h. nicht mal für jede eine zweite Aufführung).

Und so wurde, alle Reflektionen hinter sich lassend, der vertanzte Hit aus „Fame“, Tanzmusicalfilm aus der Geburtszeit der nunmehrigen ALTEN HASEN, zum fröhlichen Abschluß: Ist es das, was sie eigentlich nur wollen? Vielleicht.

Aber als gewissermaßen wiedererlangte Unschuld im Kleistschen Sinne, für die die vorherige Reflektion unabdingbar ist.

 

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Wenn Puppenspielerin Vera Pachale für Abgeordnete und Sinti-Funktionärin Petra Rosenthal eine Kindergruppe etwas über

Sinti und Roma spielen läßt, dann schreibt der TAGESSPIEGEL – der sich ansonsten seit Jahren zur extremen Situation des Berliner Puppenspiels ausschweigt, bzw. nur die wenigen Profiteure zu Wort kommen läßt.

Vera Pachale war 2020 an einem der drei Theaterprojekte über Willi Blum beteiligt, das "andere" Buchenwaldkind. Der junge Sinto wurde in Auschwitz ermordet, gewissermaßen statt des geretteten, durch "Nackt unter Wölfen" berühmten Juden Stefan Jerzy Zweig.

(Diesen im Einzelnen nicht ganz einfachen Vorgang nicht immer wieder haarklein darlegen zu können, um jeden absurden Verdacht einer „Juden-gegen-Zigeuner-Intrige im KZ“ auszuschließen, ist einer der Gründe für die faktische Geheimhaltung von Willi Blums Schicksal - und der latenten Verdrängung des Holocaust an Sinti/Roma/Zigani).

 

Willi Blum war Sinto, 2018 schrieb Annette Leo dazu ein Buch, Basis der drei Stücke, er wäre also „gedenkwürdig“. Aber er war auch Puppenspielersohn – und DAS war nicht genehm, weil Lederer & Co. das Genre noch weiter zurückdrängen will - aus dem Puppentheater SCHAUBUDE wurde unter Scharlatan Tim Sandweg eine überwiegend puppenspielferne „Avantgarde“-Bude, in der Puppenspieler wie Vera Pachale keine Chance haben. Und eben auch nicht drei Stücke über einen Puppenspielersohn. Ein etwas analoger Fall zur Volks-fernen Volksbühne.

Details https://generalanzeiger-waschinsky.de/index.php/blumen-und-tomaten/487-zigeunerleben-oder-der-baer-im-zk

 

 

Liebe Vera Pachale, da hättest du doch die Sinti-Funktionärin Rosenberg gleich mal fragen können, warum sie 2020 dem Schaubudenchef Sandweg half, unser Willy-Blum-Stück zu verhindern? Er hatte mir schwiemelig Rassismus unterstellt (wovon in den drei Willy-Blum-Stücken sonst keiner was gemerkt hat) – Petra Rosenberg hatte sich dieser diffamierenden Unterstellung angeschlossen, reagierte aber nicht auf meine zwei langen mails.

 

TAGESSPIEGEL