Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

Vorwärts in die Höhlenzeit

Die Eigentumshöhle“ vom Pangalaktischen Theater Essen

6.12.20: Die jungen Leute im Chat, der die Premieren-Vorführung neben dem Filmbild begleitete, waren offensichtlich begeistert; die Gruppe hat ihre Fans. „Die Eigentumshöhle“ ist der 2. Teil eines anderen, laut Fidena-Portal sehr erfolgreichen Stückes, wegen der Pandemie hat man es diesmal als Film umgesetzt.

Die elektronischen Möglichkeiten dieses Mediums schienen günstig für den Stoff, jedenfalls auf den ersten Blick und so erinnert mich das Ergebnis an 80er-Jahre-Fernsehen: Reichlich können Puppen, Menschen und Objekte schweben, erscheinen und verschwinden und – günstig für die Vier-Mann-Truppe - sich in den Totalen vervielfachen. Größenverhältnisse sind nicht an die Realität gebunden und so gibt es weite Landschaften; die riesigen Gebäude darin bestehen teilweise aus Milchtüten und Klopapierrollen.

Die ironisch gebrochene Geschichte mit Anleihen und Zitaten aus dem Scince-Fiction-Trash-Universum war für mich vielleicht nicht immer interessant, aber unsereins hat futuristische Fantasy-Parodien einfach aus Altersgründen schon oft gesehen; ich bin eben nicht die Zielgruppe. Als in der Handlung jedoch Eindringlinge auf dem gezeigten erdfernen Planeten Wohnhöhlen besetzen, zu Eigentum machen und die Bewohner rausschmeißen, ist alles klar.

Film erfordert manchmal „filmische“ Konsequenz, auch bei bewußt billiger Ästhetik; und so blieb neben optischen Einfällen und durchaus mediengerechten Auflösungen manch längere Sequenz noch zu sehr abgefilmtes Theater. Und die Kamera machte manche spielerische Schwäche deutlicher als auf einer Bühne, vor allem die oft unterspannten Körper der großmaskierten Akteure. Daß anders als im Puppentheater üblich nie menschliche Gesichter zu sehen waren, erschien mir allerdings ästhetisch konsequent. Und korrespondiert mit der fast gleichzeitigen Premiere von Kaufmann & Co "DeathCleaner" mit ausschließlich Handpuppen, Objekten und Händen - ohne offenes Spiel.

Das teilweise eingesetzte Klappmaul-Puppenspiel wirkte andererseits nicht nur grob, wie hier stilistisch angebracht, sondern etwas konturlos.

Puppenspielerin und Multikünstlerin Nadia Ihjeij ist mir noch von einem überzeugenden Projekt als Ernst-Busch-Puppenspielstudentin in guter Erinnerung, ich wünsche ihr, daß sie das damalige Niveau auch unter den harten Bedingungen der Freien Theaterszene hochhält und weiterentwickelt, Trash hin oder her. Was für mich Bemühen um Erhaltung von Qualität und ebenso Vielfalt der formalen Möglichkeiten ist, wurde ja unlängst im Fidena-Forum als „überkommenen Haltungen und Ästhetiken nachhängen“ diffamiert. Die zerstörerische Konsequenz solcher Unterstellung durch sicher nur einen einzelnen Autor, der Gehörtes leider nicht hinterfragt, ist allzuoft in der Puppentheaterpraxis zu sehen: Permanent unüberlegtes offenes Spiel mit immer gleichen Tisch-/Vierfüßer- und Klappmaulpuppen, also dem technisch Anspruchlosesten. Ist das  k e i n e  überkommene Ästhetik?  

Aber es ist wie mit der Augsburger Puppenkiste, deren nunja... unakademisches Puppenspiel man einfach als das sehen sollte, was es ist, ohne einen allgemeingültigen Standard abzuleiten. So ist hoffentlich auch zu verstehen, daß dieses regionale Filmprojekt unterstützt wurde durch das Bochumer Puppenspielforum, dessen ablehnende Haltung gegenüber anderem manchmal nicht nachzuvollziehen ist - und damit seine Maßstäbe. Inzwischen kommen allerdings in den „Aktuellen Kritiken“ erfreulich viele unterschiedliche Stimmen zu Wort und es werden auch Künstler und Theater besprochen, die man früher links liegen ließ. Das läßt auf zukünftig Entsprechendes im Fidena-Festivalprogramm hoffen.

Die Eigentumshöhle“ des Pangalaktischen Theaters will primär unterhalten. Sie berührt wie schon im Titel zu ersehen ein reales Problem auf allgemeinverständliche Weise und mit teilweise bewußt unperfekten Mitteln – eben denen des Trashs. Ich drücke die Daumen für Weiteres.

 

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Annette Dabs, Chefin vom Fidena-Portal, wo das Stück präsentiert und zuvor gefördert wurde, hat geantwortet - was ich als Diskussionsbeitrag grundsätzlich lobenswert finde und mir deshalb erlaube, wiederzugeben: 

Die Gruppe ist mir im Rahmen des Fritz-Wortelmann-Preises 2019 sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben, für mich lagen sie so zwischen den Kategorien Amateure und professioneller Nachwuchs. Und mir gefällt die Zusammensetzung aus derart verschiedenen Richtungen, also die Nachwuchs-Puppenspielerin und der Schauspieler aus der freien Szene, der Technik-Nerd, der gern verrückte Installationen bastelt, der Musiker, der  mit der Puppenspielerin eine Art Musical erarbeitet und so weiter. Und am meisten gefällt mir die überbordende Fantasie dieser bunt gemischten Gruppe.
Deine Kritik an dem mangelnden Handwerk an einigen oder sogar vielen Stellen verstehe ich gut. Bei mir überwiegt die Sympathie mit der Haltung der Gruppe, deren humorvolle Einsicht in die eigenen Schwächen und die Akribie für ein solches Unterfangen. Es war ihr erster Film!