Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

SHAKESPEARE, SHOW & FRISCHE LUFT

KISS ME KATE – Cole Porters Dauer-Erfolgs-Musical im Monbijou-Theater

14.8.2022

Die Aufführung hat einiges zu bieten und wurde am Ende beklatscht und bejubelt. Vor allem ist es ja schön, nach all den inneren und äußeren Querelen das hölzerne Rundtheater wieder stehen zu sehen.

Beteiligt sind nur teilweise Musical-Profis und so fehlt eine gewisse Routine, was keineswegs nur schlecht ist. Insgesamt könnte aus den Widersprüchen in ästhetischer wie inhaltlich-logischer Hinsicht noch mehr komisches Kapital geschlagen werden. Aber vielleicht war das Publikum auch etwas hitzegeschwächt.

Die Musik des hervorragenden 3-Mann-Orchesters ist von Cole Porter – einige Hits hat man von den ganz Großen aus Pop und Jazz im Ohr – der Text ist von... etwas unklar, jedenfalls in dieser Fassung. Die in den zeitlichen Bezügen zwischen Broadway-Premiere 1948 und heute changiert, Genderei nicht ausläßt, die Hitze im bekannten Song sowieso nicht  und vielleicht noch rampensäuisch-hemmungsloser ans Publikum gebracht werden könnte. Immerhin wird doch eine ums Überleben kämpfende Wandertruppe gezeigt, für die Erfolg alles – und deshalb alles erlaubt ist. Der Abend ist meist am besten, wo Frechheit und leichte Hand siegen. Beim Hauptpaar honoriert man das Ernstnehmen der Figuren und ihrer Probleme, auch wenns mal etwas betulich wird. Und muß am Anfang der Grundeinfall, die Haupt-Figuren geschlechtsverkehrt zu besetzen, dem Publikum schonend beigebracht werden, statt das schnell zu begreifende Prinzip rasant komödiantisch zu überdrehen?

Trotzdem: Die Grund-Konstellation tritt mutig dem Shakespeare-Stück wie auch Porters Musical entgegen, die die Wandlung der kratzbürstigen bis männerfeindlichen Katharina zum angepaßten Eheweib meist nicht wirklich verständlich machen, wodurch das Ganze eine anti-emanzipatorische Tendenz bekommt. Im Monbijou spielt sich das Trennungs-und Eifersuchtsdrama nun zwischen zwei Frauen ab, bleibt zwar Reflektion der Mann-Frau-Konstellation, ist aber eher deren Parodie. Gerne noch mehr – man, nein frau versucht als Petrucchio noch Macho-männlicher zu sein als jeder Mann.

Katharinas neuer Schwarm ist hier eine Art glitzernd-verführerische Circe. Im Porter-Original ist das der Geldgeber des Stücks im Stück, der gewissermaßen die Abhängigkeit der hehren Kunst vom Geschäftlichen symbolisiert, was im Monbijou zumindest anklingt: Hinter der - etwas zu ausführlich zelebrierten - Esotherik-Tussi könnte eine knallharte Businessfrau stecken. Gut gespielt – aber im web genannt werden die Akteure leider nur pauschal.

So bleibt mir auch der Schauspieler der Bianca in Erinnerung, der durch Bekenntnis zum Schrillen den nötigen Gestus trifft – natürlich haben es in der Travestie Männer als Frauen ohnehin leichter – aber auch mal mit burschikosem Ton den Abend erden hilft.

Prägnant ist auch der weibliche Gangster, wohl als Hosenrolle gemeint, aber ebenso als sehr resolute wie sehr weibliche Gang-Anführerin zu verstehen.

Musical ist immer auch Show. Wenn eine Musical-Actrice steppen kann, soll sie das zeigen - Kätchens Stepp-Nummer war fast ein bißchen versteckt. Ich war dankbar für die Gruppenszenen mit optischer und gesanglicher Präsenz, wo vermutlich ein Choreograf waltete, der mit einfachen Mitteln Wirkung erzeugte.

Auch sonst wurde Aufwand eher durch Einfälle ersetzt, aber gut andererseits, daß die höchst präsenten Kostüme von Anike Sedello weniger die „arme Wandertruppe“ zeigten, sondern eine Art abstrahierte Bilderbuch-Renaissance in ungebrochenen Farben.

Die offensichtlich Musical- und Schauspielgemischte Truppe überging souverän Open-Air-typische Störungen wie bellende Hunde, Sektkorkenknallen usw.. Darauf aktiv improvisierend zu reagieren, was ja ohne Verfremdungs-Verrenkungen immer klar macht, es ist Theater, es ist live und die Akteure gehen souverän damit um, wird sich sicher noch entwickeln. Zur fast immer Freude des Publikums.

Erst einmal ist zu konstatieren: Am stimmungsvollen Ort zwischen Bodemuseum, Brücke und Park wird wieder Theater gespielt, sogar mit einem Shakespeare-Musical, also fürs Monbijou einer neuen Richtung, was im Staatstheater fast immer heißt, den Klassiker nochmal ganz anders zu zerhacken. Gähn.

Das Publikum war dafür dankbar und das Haus fast voll. D.h. es dürfte meist noch Karten geben.