Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

NEUES VON GESTERN IM MAI: Ernst-Busch-Puppe: BAMBI-KALEIDOSKOP / HACKESCHES HOF-THEATER 1993 - 2006 / Marek Waszkiel Polen

(29.4.23) Uuuuund NOCHMAL: Objekttheater, diesmal aus dem Entstehungsland FRANKREICH, jedenfalls die Regie. Katy Deville hat 2012 schon einmal etwas in Berlin vorgestellt, jetzt inszeniert sie und Sophie Bartels "BAMBI-KALEIDOSKOP" als Co-Produktion von ESNAM Charlevielle-Meziers und Ernst-Busch-Puppe. Na endlich, denke ich: Als ich vor 20 Jahren an der ESNAM für eine ganze Promotion "Leit-"Professeur war und auch die Diplominszenierung machte, wurde die ESNAM in Berlin angestrengt ignoriert.

 

5.Mai 2023

 in der Premieren-Nacht noch geschrieben: 

 

BAMBI - KALEIDOSKOP

 

Die Aufführung schien mir ein Ehrenrettungsversuch des ernsthaften Buchs (1922) von Felix Salten vor dem als Kitsch verrufenen Film (1942). Der allerdings als Disneys düsterster gilt.

Das Ganze ein deutlich zu langer zweisprachiger Textvortrag mit einigen recht schönen Bildern, z.B. wenn Bambi und Mutter, eigentlich nur stehend, vor einer hinter ihnen vorbeigetragenen Baumreihe einen Gang durch den Wald imaginierten. Oder wenn alle Rehe – Akteure mit Plastik-Reh-Masken mit Gitarre als Knarre abgeschossen wurden. Oder wenn sie danach mit alten Koffern langsam herumliefen, als Überlebende, nicht nur der Reh-Herde. Überhaupt wirkt ja im sonst Finanz- und damit Personalreduzierten Puppentheater eine Bühne voller Leute an sich schon als überraschend – aber sie spielten hier durchaus MITeinander als binationales Ensemble. Warum geht das in Berlin nur mit Studenten?

„Objekte sind Erinnerungsstaubsauger“ verlautete Katy Deville (Regie mit Sophie Bartels) einst übers Objekttheater. Reh-Figuren in verschiedenen Größen von 3cm bis lebensgroß sahen meist nach Plastik aus und erinnerten sicher nicht nur mich hauptsächlich an Billigware aus dem Chinaladen. Aber diese Assoziation war wohl überhaupt nicht gemeint, wurde jedenfalls nicht angespielt. Doch Disney und Plastikreh verschwanden nicht aus dem über allem schwebenden popkulturellen Gedächtnis, obwohl ich vom Film nur Ausschnitte kenne – gerade indem man das ignorierte. Die rohen Holzbretter des Bühnenbildes (Neïtah Janzing, auch Kostüme) strahlten da schon etwas anderes aus: Natur und Wald.

War das postdramatisches Theater von Akteuren, um den Begriff Schauspieler zu vermeiden? Zumindest war für mich kein Moment zu erkennen, der Puppenspieler gebraucht hätte, Material- oder gar Puppenanimation wurde geradezu streng vermieden. Daraus ergab sich, daß Bambi und die anderen ein Figurenprofil ausschließlich verbal bekamen, kaum durch sichtbare Handlungen. Und so stark waren die Bilder mit immer wieder nur Plastikrehen denn auch wieder nicht, während die Vorgänge mit Material nahezu immer den noch dazu zweisprachigen Kommentar brauchten. Das immerhin war bei den ersten Objekt-Theater- Aufführungen um 1980, auch von der damals jungen Katy Deville, deutlich anders.

Zurück zum Reh-Kitsch. Äh... Reh-Kitz. Pardon, désolé, Kitsch war es insgesamt eher nicht. Ein tänzerisch begabter Franzose zeigte die tapsend steifbeinigen ersten Gehversuche Bambis einen Moment lang sinnlich konkret: „Menschendarstellerisch“. Nichts dagegen! Aber wenn nach über 40 Jahren „Theatre d‘objet“-Entwicklung in den entscheidenden Bühnenmomenten das Material, das Objekt so deutlich unterliegt, wie dem Tod der Rehmutter, für den sich offensichtlich kein passender Einfall fand, dann ist das schon schade.

Mir scheint beim Objekttheater ziemlich entscheidend, wie oft man es schon gesehen hat. Mein (Puppen-) Theater-erfahrener Begleiter meint, er hätte sich nicht gelangweilt.

Für mich bestätigte sich nochmal E.F. Kratochwils Einwand zum Objekttheater in seiner „Puppentheatergeschichte“, es könne keine mehrstufigen Geschichten erzählen.  

Wie meist im Objekttheater blieb es episodisch, entwickelte sich kaum eins aus dem anderen, sondern man brauchte immer neue Einfälle, immer neue Ansätze – und immer neue Requisiten. Äh... natürlich Objekte.

Aber eine große Gruppe miteinander harmonierender junger Leute in unserem zu Vereinzelung neigenden - oder von immer fragwürdigeren Bestimmern gezwungenen - Genre blieben der vielleicht wichtigste positive Eindruck des Abends. Als Vision einer Möglichkeit. Um die er nun kämpfen müßte, der Nachwuchs. Aber will er das überhaupt?

 

Soweit die reine Kritik an der reinen Kunst. Abteilung 2 zum Drumherum, was ich immer deutlich von der Kunstbewertung trenne, entgegen den Nachrichten aus dem Buschfunk, habe ich diesmal vor der Premiere als Flugblatt verteilt: "PUPPEN-PARALLELGESELLSCHAFT - werden Puppenspielstudenten instrumentalisiert?" Ich maile es gerne zu, kurze Nachricht: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Hier noch einmal meine damalige Kritik für DaT,

darunter ein Link zu den letzten Studienergebnissen der ESNAM, wo es 2021 auch wieder heftig objektete.

(2012 Berlin) “Peau d'Ane – Hinter der Haut“ 

Kurs-Ergebnis von Studenten verschiedener europäischer Puppenspielschulen, Leitung Christian Carrignon und Katy Deville, zwei Urgesteine des Objekt-Theaters.

Zweite Aufführung - ich hatte schon die erste Aufführung gesehen. Die Einführung ist sehr lang, der Schluß sehr kurz – das reflektierte ganz einfach, wie der Kurs gelaufen war.

In „Hinter der Haut“ stellte sich mir einfach wieder dar: Objekttheater ist im Grunde ein sehr requisitenlastiges Theater der Akteure, um den Begriff "Schauspieler" mal zu vermeiden. Ich sah eigentlich keinen Moment, der unbedingt Puppenspieler benötigte, was die Umsetzung betraf. Anders ist vor allem das Herangehen, das Denken, die Phantasie. Das Ganze steht und fällt mit den Regieeinfällen, die hier sicher vor allem von den Akteuren kamen.

Auffällig in „Hinter der Haut“: Die Komplexität einer Handlung mit Objekten oder auch nur größere Handlungsbögen mit Objekten umzusetzen, scheint schwer. Vieles fand statt, oft etwas langgezogen verschiedene Versionen der gleichen Märchenepisode. Selten entwickelt sich das Eine aus dem Anderen, immer neue Ansätze, immer neue Requisiten.

Königspaar und Prinzessin drei verschieden große Kerzen, der König ist klug – die Kerze wird angezündet. Danach allerdings auch die beiden anderen, war das nicht die Aufhebung seiner Klugheit? In Erinnerung bleibt mir der Sex des Königspaares, wenn die kleine Prinzessin entsteht: Der junge Mann agiert mit Handfeger (Fegen!) und Mehl, da hob es in der Materialwahl mal wirklich ins Metaphorische ab.

Eindrücklich auch der Moment des Begehrens der Tochter durch den König in der einen Variante: Er ist ein Kratzer mit handförmigem Ende, die Akteurin fährt sich damit langsam den nackten Arm hoch... selbst erschrocken, angewidert blickend.

In die Tiefe ging das sonst selten, eben auch, weil Episoden und Einfälle sich reihten, nur in der Rahmenhandlung kam es zu Interaktionen der Truppe. Für die Ambivalenz der sich selbstgewählt hinter Schmutz und Eselshaut verbergenden Schönen fand sich kein Bild.

Im Objekttheater wird das Material ja selten animiert, es soll bedeutungsgeladener Gegenstand bleiben, nicht zur selbst handelnden Figur werden. Als an diesem Abend aber einen kurzen Moment und auch nur sehr schlicht eine kleine Gummi-Echse animiert wird, kurz, als mal Puppenspiel stattfindet, steigt das Interesse im Saal sofort spürbar.

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Zu den Solo-Abschluß-Vorspielen der ESNAM-Studenten von 2021  - s. 2. Absatz, dort auch link zu Videos

https://generalanzeiger-waschinsky.de/administrator/index.php?option=com_content&view=article&layout=edit&id=489

 

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KARSTEN TROYKE
machte am 1. Mai 2023 darauf aufmerksam, daß an diesem Tag vor 30 Jahren eröffnet wurde:


Das HACKESCHE HOF-THEATER - 1993 bis 2006


Es schloß bereits nach 13 Jahren. Daß diesem Theater nicht geholfen wurde, ist Ausdruck einer höchst problematischen Kulturpolitik, inzwischen vom (Pseudo-)Linken Lederer fortgesetzt. 
Nach der Wende war das Pantomimeensemble des Deutschen Theaters abgewickelt worden, weil es dem verstaubten Begriff von "Hochkultur" des Westens nicht entsprach. Im Hackeschen, daraus entstanden, gab es dann neben dem MIMISCHEN auch das JIDDISCHE, vor allem Musik, beides gab es nicht im Staatstheater, trotzdem bekam das Haus keine regelmäßige Förderung wie die vielen ähnlichen Kleintheater des Schauspiels - was es als Staatstheater u.a. schon reichlich gibt. Aber der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. 
Insgesamt spielte in der Öffentlichkeit sicher die Vorstellung eine Rolle, daß Jüdisches quasi automatisch vom Staat gefördert wird und außerdem die jüdischen amerikanischen Millionäre permanent Dollars schicken. Seidemann hatte ein kleines Netz von Sponsoren aufgebaut, die kleine Summen gaben, um die 6000 € monatliche Unkosten mit zu decken. Ansonsten lebte das Haus von ehrenamtlicher Arbeit und gelegentlichen ABM-Stellen.
Der Eindruck, daß die Fans der jiddischen Musik das Haus trugen, ist nicht ganz richtig. Als ich z.B. mit Teilen der Klezmer-Gruppe AUFWIND Musik-Theater machte, kam ein Mehrfaches an Zuschauern als bei deren Konzerten. Das Haus konzentrierte sich ausdrücklich auf "Jiddisches", allgemein Jüdisches - allzuoft Vorzeigeobjekt - gab es eher wenig.
Da es die von manchem erträumte, seit ewig ununterbrochene "authentische" jiddische Kultur hier mitten in Deutschland nicht geben konnte, weil also viel zerstört und verschwunden war, entstand eine dezent experimentelle Mischkultur, die vermeintlich "Traditionelles" kaum imitierte. Meist wurde jiddisch gesungen und deutsch gesprochen.
Das Haus mußte nach einer Mieterhöhung schließen - auch, weil sich niemand fand, der es unter diesen Bedingungen und der nötigen Selbstausbeutung weiterführen wollte.

Mit 50.000 Zuschuß jährlich wäre dem Haus zu helfen gewesen. Inzwischen wurde ein "Jüdisches Theaterschiff" für 1 Million ausgebaut, es liegt derzeit in Spandau. Theater gibt es kaum, aber Musik und Textabende:  

https://www.facebook.com/GoldbergJuedischesTheaterschiff/

  

Facebook:

https://www.facebook.com/bertolt.troyke/posts/pfbid0opKs3G27RvWRY8DTdTTuyfvJBfHERpwJCQgJBuDWf6HMpsR6GMSCnkXHqmDRtuL7l?comment_id=982752536221320&reply_comment_id=1264748520795185&notif_id=1683012646666092&notif_t=comment_mention&ref=notif

Der HACK-THEATER-NACHLASS - vor allem sehr viele Videos, meist von Maja Wolff und Christa Seeger - hat lange in Seidemanns und meinem Haus gelegen. Inzwischen habe ich das Material bestmöglich untergebracht: Das MIMISCHE (DAT usw.) beim Mime-Zentrum des Internationalen Theaterinstituts Berlin, das JIDDISCHE hat nach einigen Verhandlungen das JÜDISCHE MUSEUM BERLIN übernommen und die Videos schon digitalisiert. Das Material wird also nach seriösen Prinzipien archiviert und der Nachwelt erhalten. 

 

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BENIN-BRONZEN AN NIGERIA ZURÜCKGEBEN?
Ja, aber an WEN genau? Amerikanische Nachfahren der Sklaven protestieren: Die Rückgabe erfolge an ein Königshaus in Nigeria, das damals sehr vom Sklavenhandel profitiert hat. Womit sich die einseitige Sicht auf den Sklavenhandel, an dem keinesfalls nur Weiße beteiligt waren, ändern sollte. So wie es in Afrika früher schon ausgeprägte WEISSE Sklaverei gab.
Jetzt aufkreischen, liebe Gutmenschen, weil damit natürlich nur der SCHWARZE Sklavenhandel verharmlost werden soll.
Nein, natürlich nicht. Es erinnert mich nur daran, wie oberflächliche Förderung in die Puppenszene teils höchst Problematisches unterstützt, z.B. die, die hemmungslos die Meinungsfreiheit und durch Konzentration auf „schauspielnahe“ Randbereiche die dringend nötige Puppentheaterentwicklung abwürgen.

Und nochmal "Neger":
Das Wort benutzte kürzlich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.
Und wird nicht abgesetzt von den Tübingern. Recht haben sie. Er sei ein guter OB.
Palmers Vergleich von "Judenstern" mit seiner heutigen Ausgrenzung ist mit Sicherheit hanebüchen. Aber das ist auch seine ausgrenzende Behandlung zuvor wegen des "N-Wortes". "N-Wort" ist für mich ein besonders krampfhafter Versuch, über ein Problem hinwegzugehen, indem man es noch betont. "Neger" würde erst im Zusammenhang abwertend, sagte Palmer. Ganz genau wie ein deutsches Gericht vor einiger Zeit entschieden hat. Das Wort auf den Index zu setzen, wurde übrigens abgeschmettert. "Neger" ist also NICHT verboten. Bei "Nigger" ist das wohl etwas anders.
Warum kommt so eine Affäre in die Spitzennachrichten, als hätte er gefordert "Neger raus!" ?
Correctnesswahn und Cancel-Cultur schon wieder auf dem Vormarsch?

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Im TELLERRAND-ZOOM der dt. UNIMA war am11.Mai zu Gast:

Marek Waszkiel,

Puppenspiel-Theoretiker und –Dozent aus Polen. Er sprach u.a. über Puppenspielerausbildung und nannte in der Welt 50 Puppenspiel-Universitäten. Ich fand z.B. bemerkenswert, daß die in Krakau schon vor langer Zeit nach 10 Jahren Arbeit schloß, weil alle Absolventen Schauspieler an Drama-Theatern geworden waren – vergleichbares in Berlin wurde ja eher vertuscht. Auch auf den gezeigten Bildern des Gastes waren mir die Menschen zu wichtig. Mit bewegten Bildern wäre das vielleicht anders gewesen.

Alice-Therese Gottschalk moderierte wieder. Nebenbei erinnerte Marek Waszkiel sich an meine Auftritte in Polen in den 70ern, den anderen, meist westdeutsche Amateure, bin ich wohl eher unbekannt.

Die vergleichsweise höchst kritische Position des Gastes – im deutschen Puppenspiel werden ähnliche Stimmen meist bald aussortiert – findet man auch in seinem Internet-Blog. Auch wenn ich nicht immer übereinstimme, hier der link:

https://www-marekwaszkiel-pl.translate.goog/2023/01/06/lalkarstwo-u-progu-trzeciej-dekady/?_x_tr_sl=pl&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc

Tja, im konservativen Polen kanns im Einzelnen heftig kritisch werden – im demokratischen Deutschland dagegen...

Was sehe ich anders als Marek Waszkiel: M.E. ist Puppenspiel NICHT bildende Kunst. Zwar ist das Visuelle sehr wichtig und es werden manchmal schöne Bilder gestellt, aber dazwischen wirds oft langweilig, weil das PuppenSPIEL uninteressant ist. Das habe ich in 26 Jahren als Puppenspiellehrer zu ändern versucht.

Daß es natürlich hervorragende Einzelspieler gibt, sei unbestritten. Und das Ensemble in  Halle ist sehr gut mit PUPPENspiel und wird inzwischen allerbestens von den Bürgern angenommen! Es geht also!

(Ist das wieder ein Fall, wo man nach jeder Äußerung dazusetzen müßte, was man NICHT meint? ).