Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

GEWALT HINTER KULISSEN

GEWALT HINTER KULISSEN

 

 

Frühjahr/Sommer 2021

„Macht und Ohnmacht im performativen Bereich“ - letzteres meint Theater - waren für einen Podcast des Berliner Zentrums für Tanz (und ganz anderes) DOCK 11 angefragt. Wie das Theater auf der Bühne die Moral der Menschen kritisiert und sie hinter den Theaterkulissen selber mit Füßen tritt, das interessierte mich. Aus den sich bewerbenden Interviewern waren drei, darunter ich als einziger Mann, Ossi und Theaterpraktiker ausgesucht worden, ich war auch mit großem Abstand der Älteste.

Wir machten Anfang/Mitte 2021 unter Anleitung der beiden Projektleiterinnen ein paar digitale Sitzungen, dann suchte sich jeder seine Interviewpartner. Das waren bei mir zwei ältere Berfliner Puppenspielerinnen, Ost- bzw. West-sozialisiert.

Deren Äußerungen - einmal schriftlich, einmal mündlich - wurden im Podcast ohne weitere Begründung nicht verwendet, hätten aber doch irgendwie Niederschlag gefunden, wurde mir mitgeteilt. Während der Sitzungen war ich gelegentlich unterbrochen worden, ich wäre zu lang. Ich hatte versucht, größere Bezüge herzustellen und andererseits, gewisse Besonderheiten meines Metiers Puppentheater darzulegen.

Im Podcast - eine Art Doku-Hörspiel - werden die Interviews von sechs Frauen und drei Männern verwendet.

Ich finde die Musikeinlagen zu lang.

Nachträglicher Kommentar Waschinsky 2023: Auffällig Beteiligung von fast nur Frauen, von als Darstellerinnen nur Tänzerinnen , ansonsten kaum "Normal-Theaterleute" mit Festanstellung am Theater und entsprechender Erfahrung von Abhängigkeit usw.. Aus der Sicht von heute, 2 Jahre später: Das Ganze war von den Initiatorinnen mit Erwartungen auf ein bestimmtes Ergebnis geprägt. Da paßte ich nicht rein. 

https://expanded.dock11-berlin.de/P-Gespenster3

 

 

Meine, Peter Waschinskys, Fragen, unten die im Podcast nicht verwendeten Antworten

A.Warst Du einmal in einer Situation von Ohmacht? 
Du hast in Berlin keine eigene Spielstätte. Für vor allem solche Puppenspieler wurde einmal die SCHAUBUDE eingerichtet. Hier warst Du aber nur sehr wenig präsent und hast Arbeitsmöglichkeiten gehabt. Empfindest Du das als ungerechte Einschränkung? / 
Empfindest Du allgemein Deine Situation als Puppenspielerin als von Zurücksetzung, gar Diskriminierung gegenüber anderen Theatergenres geprägt? /
Ist die Einschränkung usw. hier stärker als die als Frau?
In welcher Hinsicht spürst Du sonst noch Ohnmacht?
B. Wie bist Du mit Ohnmacht umgegangen, wie hast Du Dich ggf. gewehrt?
Hast Du Dich dem Machtausübenden entzogen?
Hast Du etwas gegen ihn unternommen? a) konkret für Dich b) die grundsätzliche Situation zu ändern versucht?

Kristiane Balsevicius: Berufliche Ohnmachtsgefühle: da kommen mir in erster Linie (als selbstständige Puppenspiel-Solistin ohne feste Spielstätte) Bilder von Horrorveranstaltungen, die so nicht vereinbart waren: ein ganz furchtbarer Raum, viel zu viele Zuschauer oder völlig falsche Altersgruppe (bei Kinderveranstaltungen), oder keine Abdunklung, wo eine nötig wäre.

Man kann nicht zurück, die Aufbauzeit drängt, die Zuschauer drücken schon die Türen ein …

Eines der schlimmsten Erlebnisse (weil meine Erwartungen so hoch und meine Freude über die Einladung so groß waren) war der Auftritt beim Internationalen Festival in Magdeburg UNIMA 2000, wo keiner mich geschützt hat, null Betreuung, mieser, viel zu große, breiter Raum, ständiges Kommen und Gehen: ein zutiefst einsamer Kampf auf der Bühne um ein Publikum, das völlig übersättigt war. Ein mieses Gefühl, verheizt zu werden. Die Japaner verließen reihenweise den Raum …

Danach wollte ich die Abendinszenierung (mit der ich später 2 Preise im Ausland gewonnen habe) absetzen. Ich verdanke es dem verstorbenen Kollegen Peter Steinmann übrigens, der mir damals eindringlich sagte: nicht aufgeben, schnellstmöglich das Stück wieder spielen, wo anders und guten Bedingungen!!!

Das wurde mir eine Art Richtschnur.

Wer so lange im Beruf gelebt hat wie ich, kennt das Kommen und Gehen, die Wellen der Hypes, die Aufregungen um Trends und Schlagworte, die manche Veranstalter auf der Suche nach Innovation sich auf die Fahne schreiben.

Ich bin vom Wesen her nicht streitbar. Wenn die Konditionen für mich nicht (mehr) stimmen, gehe ich. Berlin ist eine so große lebendige Stadt, dass ich mich nicht davon abhängig machen möchte, an bestimmten Orten meine Premiere spielen zu müssen, um von der Szene (welcher Szene?) gesehen zu werden. Es gibt (gab) weitaus mehr Spielstätten für freie Puppenspieler in unserer Stadt als die Schaubude, mit Betreibern, die für mich verlässliche Partner wurden, wo ein kollegial-freundschaftliches Vertrauensverhältnis, Offenheit und Fairnis war. Und (sehr wichtig!) eine große Liebe zum Publikum! ( Theater HansWurstNachfahren, Figurentheater Grashüpfer, Theater Lichterfelde, auch Fliegendes Theater))

Das hat für mich jahrzehntelang funktioniert und mich getragen.

Der Rest waren noch regelmäßige Gastspiele außerhalb Berlins,- auch dort weitgehend zu „Stammkunden“ und langjährigen Veranstaltern, sowie Regiearbeiten bei Kollegen und gelegentlich Kurse.

In diesem Sinne kann ich grundsätzlich nicht von Ohnmachtsgefühlen oder Einschränkungen sprechen. Ich habe eher die Einstellung „leben und leben lassen“.

Oder wie Kollegin Heike Klockmeyer es mal ausdrückte : „unter dem Radarschirm“ sein. Redlich, unbeirrt und vielleicht bissl pragmatisch. Das ist eher so meine Haltung.

 

Waschinsky: In einem Life-Interview - das ging aber nicht - hätte ich bei den "weitaus mehr Spielstätten für freie Puppenspieler" sicher gefragt: "Welche? Für ein Abendprogramm?"

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Angelica Bennert antwortete auf die gleichen Fragen:

 

 

Ja, im Prinzip empfinde ich das als ungerechte Einschränkung. Es geht ja nicht nur um die Schaubude, in die man ja nur kommt, wenn man ne persönliche Beziehung hat zu jemandem, der dort in der oberen Etage sitzt, das betrifft auch andere Spielstätten, die einen nur ansehen, wenn man dort ... Leute kennt.

In der Schaubude habe ich persönlich nie angefragt, aber - was ja für den Kinderbereich auch wichtig ist - in der Wuhlheide, FEZ, und da hat man mir gesagt, nein sie legen darauf keinen Wert, Sie brauchen sich nicht zu bewerben. Ohne daß sie mich jemals gesehen haben.

 

Bei Versammlungen, wo es um Kunst und Kultur geht, und es sind von allen performativen Bereichen Leute dabei... da wird gefragt, was machst du? Ich bin Tänzer.. und du? Ich bin Puppenspielerin. Aha... naja... für Kinder, hmhm... Das sind die ersten Reaktionen - und dann wirst du, wenn du was zu sagen hast oder dich in das Thema mit einbringst, nicht mehr ernstgenommen. Puppenspieler werden prinzipiell auf das Niedliche für Kinder reduziert, bis hin zu solchen Fragen - jetzt nicht aus dem Theaterbereich - ach, kann man das überhaupt lernen? Du wirst so als Freizeitspäßchen abgetan, wirst nicht als ernstzunehmender Künstler behandelt.

Das kommt auch daher, daß es die meisten Puppenspieler aufgegeben haben, auch Erwachsenenproduktion zu machen, einfach weil es kein Feld dafür gibt, kaum Möglichkeiten, das aufzuführen...

Und als Frau biste dann natürlich doppelt bestraft, bist dann nicht nur Frau, das ist schon mal schwerer im Theaterbereich, sondern auch noch Puppenspielerin...

 

Als Frau fühle ich mich NICHT diskriminiert, das hat auch mit meiner Herkunft zu tun, ich komm ja aus dem Osten. Und ich habe gelernt, mich als weibliches Wesen so zu präsentieren, daß man mich nicht so leicht diskriminieren kann. Aber wenn dann die Berufsbezeichnung fällt, Puppenspielerin, dann fühl ich mich schon diskriminiert, wenn man dann so abschätzend behandelt wird.

Die Ohnmacht fühle ich nicht nur im Theaterbereich, die fängt für mich weiter oben an, in der Kulturpolitik, die auf Gleichmacherei aus ist und Dinge nur nach ihrem Geschmack bewertet, wenn sie die überhaupt bewertet, bis dahin, daß in bestimmten Gremien, die ja für uns Puppenspieler immer so entscheidend sind, wie Jugendkulturservice, nach Gutdünken gehandelt wird. Ohne die Theater zu besehen oder mit ihnen zu sprechen, deren Entwicklung zu betrachten, wird geurteilt. Da bist du ohnmächtig, da kannst du nichts mehr zu sagen.

 

Ein brisanter Machtmißbrauch: Anfang der 90er Jahre habe ich mich als Schauspieler in Recklinghausen beworben. Die waren sehr angetan von mir und ich sollte mich...(Zeitangabe) bei ihnen melden. Das habe ich natürlich auch gemacht, ich war sehr glücklich, in diesen Zeiten ein Engagementsangebot zu haben. Als ich den Oberspielleiter anrief, war er sehr verwundert und fragte, was ich denn wolle. Das hätte ich falsch verstanden... Habe mich dann beim Intendanten mehr oder minder beschwert schriftlich - der hat sehr ausweichend reagiert. Dann bin ich zur Gewerkschaft und habe gefragt, was ich noch machen kann, normalerweise sind ja mündliche Zusagen rechtsbinden. Der lächelte mich an und sagte: Da müssen Sie noch viel lernen im Westen. Wenn sie nichts Schriftliches haben, können Sie sich auf nichts verlassen.

Man hat mich so dargestellt hat, als wenn ich nicht ganz richtig im Kopf wäre. Insofern fand ich das doppelt schlimm.

 

Als der Jugend-Kultur-Service evaluiert hat, wer noch im Verfahren bleiben darf und wer nicht, ... hat mich das sehr an dieses Vorsprechen erinnert: Ich wurde ausgeschlossen mit einem sehr allgemein gehaltenen Brief, daß ich den zeitgenössischen Kriterien nicht entsprechen würde - die wurden aber auch nicht näher erläutert. Das traf nicht nur mich, sondern 6 oder 7 Gruppen. Wir haben uns am Anfang noch untereinander verständigt, wie ujnd wo man sich wehrt, ich habe gesagt, die sitzen an der Macht, da hast du keine Chance - und da hab ich aufgegeben.