Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

GRASHÜPFER-Neuigkeiten u.a.

CABARET IM STUDI-GHETTO ?

Cabarets gibt es in Berlin einige, meist unter ganz anderer Bezeichnung. Nicht weit vom Puppentheater Grashüpfer, im Club Gerard Philipe, hatte ich vor 37 Jahren das quasi erste in Ostberlin installiert. Es galt bald als das Ostberliner Zentrum der etwas "anderen" Kleinkunst. Es ging an den Intrigen eines spät enttarnten Stasi-Mannes ein, nachdem es sich ca. 4 Jahre gehalten hatte - beachtlich für die schwierige Vor- und die wilde Nachwendezeit.

Nun macht die Puppenspiel-Truppe, von der ich Bemerkenswertes gesehen und rezensiert hatte, "Zazie in der Metro" und "Nashörner", jeden 1. Freitag (außer im Mai) Puppen-Cabaret im Puppentheater GRASHÜPFER im Treptower Park.

Es herrschte allerbeste Stimmung, da konnte nichts schiefgehen. Alles, auch kleine Pannen wurde belacht und beklatscht. Offensichtlich war hier Ernst-Busch-Puppe faktisch unter sich: Studenten und Absolventen. Ältere Puppenspieler sah ich nicht, auch nicht die üblichen Interessierten. Warum wohl?
Es erinnerte mich an die Hochschul-Athmosphäre bei Vorspielen, hier gewissermaßen gesteigert. Und anders als dort berechtigt im - für eine Profi-Künstler-Schule - zu unkritischen Bejubeln von allem und Jedem.

Cabaret kann auch heißen: Bei Programm-Mangel mit Moderation - hier durch eine lebensgroße Puppe - und Improvisation das Ganze abendfüllend zu strecken, was durchaus unterhaltsam geschah. Den Kleinkunstabend profilgebend allein mit Puppenspiel füllen zu wollen, ist einerseits verständlich im konkurrenzsatten Berlin, andererseits mutig: Gerade mal fünf Nummern gab es. Und bei der in diesem Metier geradezu obligatorischen Offenen Bühne wurde man keineswegs animiert, auf die Bühne zu kommen. Sondern es wurde ein relativ komplizierter Spielrahmen vorgegeben. Das funktionierte trotzdem, sogar vier Mal. Ob auch, wenn sich, wie zu hoffen, bald "normales" Publikum einfindet? 

Die Nummern, nunja... Neben Amüsantem, teils nah am Kindergeburtstags-Level, wurde aber auch die eher nüchterne Lebensgeschichte eines DDR-Vietnamesen, mit winzigen Objekten objekttheatertypisch mehr illustriert als gespielt, vom Publikum angenommen. Wie alles andere. Aber als ich mich schon auf das fröhliche... nunja nicht unbedingt professionelle Niveau eingepegelt hatte, gab es plötzlich einen qualitativen Ruck. Nach oben. Ein bestens geschauspieltes Stück Kabarett - mit K und zwei t. Also politisch. Na, dachte ich, in diesem Konkurrenz-Genre herrschen nunmal andere Maßstäbe. Und da wurde eine österreichische Kuchen-Spezialität - außen rosa, innen braun - nicht nur beziehungsreich präsentiert, sondern: ANIMIERT! Und das auch noch hervorragend. Almut Schäfer Kubelka ist fast fertig studierte Puppenspielerin. Also von Ernst-Busch-Puppe. Aber in dieser geschlossenen Blase fast fremd wirkend.

Und wie es sich trifft: Ich hatte den peinlichen Moment des Abends ausgelöst, als ich in einer kleinen Pause etwas loswerden wollte, aber von der Programmleitung sofort abgebrochen wurde. Spontane Aktionen ja, aber nur nach den Regeln, auch wenns ganz kurz ist?
Ich wies trotzdem knapp darauf hin, daß ein bestimmter Spitzenpolitiker demnächst Kasper spielt. Vermutlich erstmalig in der deutschen Geschichte. Und während anderswo diese Info fast zur Bombe wird und die Flyer dazu weggehen wie... interessierte es das Ernst-Busch-Puppe-Ghetto, treu ihren Führern... äh Professoren, nicht die Bohne. Genauer: Nach der Show stand ich wie ein Aussätziger herum... Wegen einer kurzen Information.
Nur eine einzelne Dame wollte Näheres wissen, hatte offensichtlich erfaßt, worum es ging: Einen möglicherweise neuen Ansatz in der puppentheaterfeindlichen Berliner Politik. Die Dame war bezeichnenderweise die eben noch politisch wie künstlerisch-handwerklich herausregende Almut Schäfer-Kubelka. 
War die von ihr gespielte so herzige wie verdrängungsbereite Austro-Spießerin wirklich das Gegenteil des sich selbst feiernden, netten und ignoranten Jungvolks im Saal?

Ob sich an dieser erschreckenden kollektiven Haltung junger oder angehender Puppen-Künstler gegenüber Ungenehmem noch etwas ändern läßt, die sich hier ja keineswegs erstmalig manifestierte?
Ändern läßt sich sicher dies und das am monatlichen Puppen-Cabaret, vor allem, indem man immer weiter macht und Erfahrungen sammelt. Z.B. wie man mit Ungeplantem umgeht. Ich kann insgesamt einen guten Start bescheinigen und wünsche für die Zukunft Inspiration, Stehvermögen und genügend originelle, vielleicht sogar Spitzen-Nummern.  

 

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JAHRESZEITEN

 

Puppenspielerin Christiane Klatt zieht als Auguste in ihrem neuen Stück „Wenn Jan mit Auguste tanzt!„  durch die Jahreszeiten, vor- und auch mal rückwärts. Ihr Begleiter Jan ist ein Handschuh auf ihrer Hand mit Kopf und kleinen Händchen an jedem Finger, der fliegt, schwimmt, klettert und Handstand macht.

Der Untertitel „Im Einklang mit der Natur und ihren Zyklen“ dräut mit den Dauerthemen unserer Zeit, aber es wird dann doch keine Werbung für grüne Politik. Sondern wie beabsichtigt ein Stück für Kinder ab 3, für die diese Themen ja auch keineswegs abgegessen sind.  
Die Bühne ist ein sich oft drehendes Kaspertheater mit Bühnenöffnungen nach allen vier Seiten, die abwechselnd bespielt werden und von Denise S. Pur den Jahreszeiten entsprechend gestaltet sind.
Mir hat es am besten gefallen, wenn sich Insekten, Raupe, Vögel für Momente der Illusion selbständig zu bewegen schienen. Weniger, wenn z.B. das kleine Huhn von der vergleichsweise riesigen Spielerhand über-sichtbar manipuliert wurde - eine häufige Problematik des offenen Spiels.
Vielleicht hätte manches geradliniger, konzentrierter erzählt sein können im andererseits angenehm detailreichen Spiel. Dennoch: Ist Berliner Puppenspielregie gegenüber den Intentionen der Spieler manchmal ein bißchen zu nachsichtig?

Aber Konsequenz gab es auch: Z.B. wenn es um den Schleim von Raupe u.a. ging: Natur ist nicht immer sauber und schön.

Das Frühlings-Wetter in der realen Natur draußen hatte - nach einer knallvollen Premiere - nur 10 Zuschauer, davon die Hälfte Kinder, ins Grashüpfer-Theater getrieben, die nun zwar kaum reagierten, aber fast durchweg konzentriert folgten. Ob allerdings auch Klatts plötzlicher und wenig sinnfälliger Verwandlung in eine Kaukautsky-Figur, also eine Puppe mit „echtem“ Menschenkopf, vor ihrem eigenen Oberkörper, mit dem sie sich  zuvor ohne Kaukautsky länger eingeführt hatte?   
Aber sie erschien mir gelöst, locker, lustig - da hat sich mit ihrem Abend-Stück „Pling - Kasper macht das Licht an“, wo ich sie schon geradezu unerwartet komödiantisch fand, etwas getan. (Leider ging dieses Stück in Berlin nach der ehrlich gefeierten Premiere im Puppentheatermuseum Neukölln ziemlich unter, das „Zentrale Puppentheater“ Schaubude zeigte es nicht und damit wieder seine skandalöse Ablehnung alles Traditions-Verdächtigen.).

Zurückhaltende aber gut akzentuierende Akkordeonklänge hatte wieder einmal Felix Kroll beigesteuert, mittlerweile Berlins Puppentheatermusikspezialist.

Dieses neue Stück - ab 3 Jahren, und dem entsprach es auch - entsprang keinem „bekannten Kinderbuch“ mit entsprechender Absatzgarantie - gerade  w e n n  davon schon Trickfilm, Computerspiel und Ballett existieren, sondern Christiane Klatts eigener Phantasie. Bemerkenswert!

Regie: Kristiane Balsevicius

Spiel/Idee/Figuren: Christiane Klatt

Bühne: Denise S. Pur

Musik: Felix Kroll