starb am 9. März 2021 in Berlin im Kreis seiner Familie
Geboren 1948, studierte er Theologie und kam dann zum damaligen Staatlichen Puppentheater Neubrandenburg – in meiner Erinnerung, ich war künstlerischer Leiter, zunächst als Mädchen für alles, jedenfalls hat er beim Eröffnungsstück 1977 souffliert. Dann war er Puppenspieleleve, am vielleicht prägnantesten in “Der Fischer und seine Frau” und Tschechows "Bär" und legte bald danach die Bühnenreifeprüfung ab. Ich erinnere mich an ihn als einen eher ruhigen Kollegen, einem relativ ausgleichenden Element gegenüber anderen expressiveren Künstlern. Vielleicht neigte mancher dazu, ihn wegen der Ausstrahlung eines großen Jungen zu unterschätzen. Das kleine Theater war eine Nußschale auf den Wellen einerseits politischer Angriffe durch Staat und Partei, die allerdings auch gewisse Zugeständnisse gewährten, und andererseits heftigen inneren Auseinandersetzungen um künstlerische Fragen, ungewohnt an einem DDR-Puppentheater. Mit der damaligen Opposition des Hauses ging er nach Berlin (Ost) und gründete die Freie Gruppe – wahrscheinlich die erste der DDR – namens Zinnober, später Theater o.N., der er bis zum Tode angehörte, 40 Jahre lang.
Den DDR-gemäßen Behinderungen solch freier Bestrebungen standen viele unterstützende Sympathien und bald gewisse Förderungen gegenüber, die DDR war heterogener, als ihr lieb war, schon 1982 wurde die Gruppe auf das DDR-Puppentheaterfestival geladen und u.a. ihr Kinderstück “1234567” mit Lindner sehr bewundert.
Zwar entwickelte sich der Nimbus der latent Unterdrückten zum identitätsstiftenden Selbstverständnis, aber anders als andere der Gruppe schien Lindner das ebenso wie unsere früheren Neubrandenburger Auseinandersetzungen relativieren zu können, wenn wir uns gelegentlich sahen. Er war zeitweise der Einzige beim fast nur noch schauspielenden Theater o.N., der noch Puppenspiel betrieb – meines Wissens ausschließlich für Kinder – und wird sicher nicht ohne Grund auf der website des Theaters nicht auch als Schauspieler, sondern nur als Puppenspieler, geführt, was eben auch sein eigentliches Talent war.
In den aufregenden Vorgängen des aufbrechenden “neuen” Puppenspiels der DDR ab den 70er Jahren, wie auch des beginnenden ostdeutschen Off-Theaters war er im besten Sinn ein Mann der zweiten Reihe – ohne die kein Theater auskommt.
Ein Leben, gewissermaßen kontinuitätsstiftend für das ostdeutsche alternative Theater, hat sich vollendet. Ja, wieder ist etwas vorbei.
Foto: https://www.theater-on.de/aktuell/
Günther Lindner spielt https://www.theater-on.de/repertoire-inszenierungen/detailseite-repertoire/haenschen-klein-4/8b692bf87330a47433d62ee64adb3b14/