Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

„Hero“ Tibo Geberts Puppen-Premiere in der Schaubude

„Hero“

Tibo Geberts Premiere in der Schaubude

 

Am Anfang lange nichts, nur ein menschlicher Schatten mit Licht-Aura. Irgendwann kommt eine Kindpuppe ins Spiel, ich assoziiere: Tibo als Kind. Viel später hat er sie im Arm und das Kind lehnt sich an ihn.

Beeindruckend, wenn der Junge am Ende anfängt zu toben, und Tibo ihn in den Arm nimmt und beruhigt. Oder ihn bändigt? Oder... seinen Freiheitsdrang bricht?

Angekündigt war:

Wer sind wir? Was bestimmt unsere Identität? Ist es unsere eigene Wahrnehmung und Definition von uns selbst? Oder die Sicht anderer, der Gesellschaft, auf uns? Hero ist eine Auseinandersetzung und ein Spiel mit den unterschiedlichsten Facetten …

Assoziationsfelder tun sich auf. Wenn man dazu bereit ist. Ich war es zugegebenermaßen nur bedingt. Konnte allerdings auch die o.g. inhaltliche Vorgabe in dem, was ich sah, kaum finden. „Hero“ erinnerte mich zu sehr an „Anubis“, Geberts Stück vor acht Jahren. Die Frage war wieder einmal nicht, ob etwas neu ist, sondern ob es auch bei der Wiederholung stark wirkt, ob ähnliche Mittel auch in einem anderen inhaltlichen Kontext bestehen.

Und die Langsamkeit empfand ich hier überdeutlich als ein Rezept, einer Etüde durch Überdehnung Bedeutung zu geben. Und stückfüllende Länge.

In der SCHAUBUDE sind schon offensichtliche Scharlatanerien vom krachend vollem Saal bejubelt - und Großartiges freundlich verständnislos von 20 Zuschauern behandelt worden. Wie anderswo natürlich auch. Aber wenn Tibo Gebert / Numen Companie (Companie?) seit langem zur Puppenspiel-Creme zählt, entsprechend angekündigt wird, und sicher auch die lange Liste von Sponsoren, unterstützenden Theatern usw. und damit anstehenden Gastspielen beeindrucken dürfte, ist doch bemerkenswert, wenn auch der corona-sitzreduzierte Saal mit nur ca. 45 Personen ungefüllt ist. Zur Premiere. Am Freitag. Ein bißchen angestrengte Weihe verbreitet die Anweisung des Einlassers, im Saal nicht zu trinken und zu essen, was m.E. niemand vorhatte, ebenso der leider Schaubuden-übliche sehr späte Einlaß.

Es gab viel Lichkunst. Video habe ich gar nicht als solches wahrgenommen - was nicht gegen das Video spricht. Die Geräuschmusik aus der Konserve schaffte wie fast immer eine gewisse Aufwertung des Ganzen. Aktion und Umgang mit der Puppe erfüllten ihren Zweck - aber gewissermaßen kunstlos. Natürlich strahlt eine realistische, lebensgroße Kinderpuppe auch bei schlichtester Animation schon beachtlich aus.

Längerer freundlicher Beifall wie immer an diesem Ort (was nicht heißt, ich vermisse das Berlin-coole „Nun macht mal!“-Publikum) - von den vielen Beteiligten (Companie?) verbeugte sich nur Tibo Gebert.

 

PS: Vor zwei Tagen hatten Schaubude u.a. zum virtuellen Stammtisch mit „Verbündet euch!“ aufgerufen. Neben vor allem Mitarbeitern von Institutionen und Verbänden waren diesmal sogar einige wenige Puppenspieler dabei. Das Thema meinte aber wohl  „Verbünden in Verbänden“ und als ich über den Verlust an Gemeinsamkeit im Berliner „Haus der Puppenspieler“ Schaubude sprechen wollte, lag ich völlig falsch und wurde abgebrochen.

„Hero“ schließt da quasi an als One-man-show, was im West-Puppenspieler-Denken das einzig Normale ist, m. E. deprimierende Anpassung an die Kulturpolitik leider auch Lederers. Und Ossis waren kaum dabei beim Stammtisch.

 

Die andere Meinung

Tom Mustroph im Fidena-Portal

Visuell ist vieles an „Hero“ eindrucksvoll, wie so oft bei Gebert. Man tastet sich in Halbtraumwelten, gelegentlich auch Alptraumwelten vor. In diesem Falle schien aber die Kompassnadel beim Trip durch Untergründe durch thematisch-magnetische Irritationen seltsam verwirrt. Zumindest zur Deutschlandpremiere des Stücks im Potsdamer T-Werk machte es den Anschein, als rühre dieser „Hero“ noch sehr in den Ingredienzen herum, die ihn in Zukunft ausmachen könnten. Ein klarerer Bauplan bei der Charakteralchemie wäre hilfreich, ohne dass er immer gleich klinisch klar erkennbar sein muss.

Atmosphärisch nimmt der Abend gefangen. Das ist seine große Stärke. Was er eigentlich erzählen will, bleibt aber schwach artikuliert. Vielleicht liegt das auch an der multiplen Väter- und Mütterschaft. Gleich 17 Institutionen aus mehreren Ländern schlossen sich zu dieser Koproduktion zusammen. Wenn nur jede zweite davon Einfluss haben wollte (...) .“

Ganze Kritik: https://www.fidena.de/portal/aktuelle-kritik/mn_45219?mode=object&objectid=f47f4949_ce75_1582_c6758eff7a873c17

 

NOCH ne andere Meinung

Ich selbst habe keine Ahnung vom Puppenspiel, habe mich gestern jedoch ziemlich gelangweilt, dachte aber mitunter  auch - nicht zuletzt durch das überrealistische Puppenkind - in einem Horrorfilm zu sitzen. Der Minimalismus dieser Inszenierung verzichtet (in meinen Laienaugen) auf das eigentliche Puppenspiel, was sich dann im Zuschauer abspielen soll - bei mir leider nicht.

Esther

(Hallo Esther, Theater wird in der Regel für Laien gemacht, man muß sich als solcher also nicht entschuldigen)

 

ACHTUNG. iCH SETZE GERNE auch andere Meinungen unter die Rezensionen usw., gerne auch sehr konträre. Aber Puppenspiel-Diskussion spielt sich mittlerweile fast nur noch im Buschfunk ab. Vielleicht weil so lange unterdrückt? Selbst in der DDR war mehr möglich.