Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

NACHT DER PROMINENTEN ? MEIN SCHWEIGEN ZU NAH-OST

Diesen Artikel habe ich vor der "Gil-Ofarim-Skandal-Auflösung" und dem Interview mit Susan Neiman geschrieben "Es ist falsch, alles nur im Licht deutscher Schuld zu betrachten" https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/interview-susan-neiman-li.2161367

"Nacht der Prominenten" waren früher TV-Galas im Zirkus, wo Berühmtheiten als Artisten oder Dompteure auftraten. Spannend, weil: Fällt Schauspieler X vom Seil oder wird Moderator Y vom Löwen gebissen?

 

Am 21. Okt. 2023 habe ich auf die TAGESSPIEGEL-Frage Warum schweigt die Kulturszene? (Nahost-Krieg) so geantwortet:

"Vielleicht, weil angesichts dieser Ungeheurlichkeit Sprachlosigkeit angemessener ist als jeder “Kunst”-Kommentar, der hinter der Dimension zurückbleibt?

Oder der wieder mal nur zur Künstler-Wichtigkeits-Parade wird, wenn Statements von C-Autoren abgedruckt würden, die von A-Puppenspielern - als Beispiel - aber nicht." (Waschinskys Generalanzeiger)

 

Nun haben wir die von mir befürchtete Promi-Parade erlebt. Bzw. nicht, ich habe sie mir geschenkt

(Derzeit noch in der ARD-Mediathek: Solikonzert für Israel mit Prominenten  im Berliner Ensemble - vergleichsweise ungefährlich für die Künstler, dort gibts keine Löwen).

Was beweisen denn 800 Zuschauer? Doch nicht etwa den Nicht-Antisemitismus von 4 Millionen Berlinern? Oder den der aufgetretenen Promis, die nun noch etwas mehr Promi sind?

(Jiddisch-Sänger Karsten Troyke war übrigens nicht geladen, er machte ein Benefiz zu konkretem Wiederaufbau in Israel und wurde von einem eher unbekannten Internet-Portal interviewt https://apolut.net/interview-mit-dem-saenger-karsten-troyke/ )

 

Wird irgendein Medium mein Schweigen und seinen Grund aufgreifen? Wohl eher nicht.

Ich habe 10 Jahre im Hackeschen Hof-Theater mit seinem ausgeprägten jiddischen Programm gewirkt, meistens unbezahlt, wie andere.

Das Haus war als extrem preiswerte Kompensation des abgewickelten, auch schon preiswerten Pantomime-Ensembles des DEUTSCHEN THEATERS entstanden, als Mime-Theater. Ensemble-Pantomime - wie auch Ensemble-Puppentheater brauchte die neue (West-)Kulturpolitik nicht, anders als Oper und Ballett - Kultur des Feudal-Absolutismus - und Drama - bürgerliche Kultur des Frühkapitalismus. Puppentheater war dagegen Kultur fürs ungebildete Volk, Pantomime ähnlich. Brauchen wa nich, ham wa nich mehr! Kamma ja nich ma seine Klunkern ausführn!

(Ähnlich sah das dann später auch Linken-Goldjunge Lederer und machte 2018 aus Berlins zweitgrößtem Puppentheater ein weiteres Tanzbühnchen)

Pantomime also nur noch in einem kleinen, nur selten subventionierten Privattheater.

Das entdeckte den jüdischen Friedhof hinter der Hofmauer, die Große Hamburger Straße - lange von armen, jiddisch sprechenden Ostjuden bewohnt, jemand kannte einen Klezmer-Musiker, ich hatte Jiddisch-Sänger Karsten Troyke in mein Cabaret geholt... so kam es im Hack-Theater zu Konzerten, bald in Serie. Wir nannten uns bewußt nicht JÜDISCHES Theater, beschränkten uns auch beim späteren Lied-Theater weitgehend auf Jiddisches.

Die ganze Sache war alles andere als eine Kampagne, also konnte sich keine Institution, Initiative usw. dieses Theater ans Revers heften. War das sein Ende? Anders als der Volksglaube in Bezug auf Jüdisches weiß, gab es nur sporadisch Geld vom Staat und auch die legendären jüdischen USA-Milliardäre schickten uns völlig unerwartet keins.

Dafür wurde das Theaterchen tatsächlich eine Art Multikulti-Zentrum, wo verschiedenes nicht immer konfliktfrei aber letztlich gut zusammenkam. Ohne Sozialarbeiter usw..

Als dann der Laden 2006 wegen vor allem Geldmangel nach erst 13 Jahren dichtmachte, hielt sich die öffentliche Trauer in Grenzen.Wo waren die Promis, die jetzt im Berliner Ensemble... ? Staat und Berlin unterstützten lieber das 10. Tanz- und das 100. Schauspieltheater statt ein Haus mit 2 sonst nirgendwo etablierten Genres.

Und das Volk? War desinteressiert. Aber deswegen nicht gleich ANTISEMITISCH !

Ich unterscheide mich von den meisten Deutschen dadurch, daß ich Juden persönlich kenne. Es sind normale Menschen, manche auch Idioten. Es gibt “Berufsjuden”, die man nicht kritisieren darf, also einiges, was mit Menschen passiert, die permanent zu etwas Besonderem gemacht werden, egal, ob deren Mehrheit das will.

Ich kenne sogar eine hundertjährige Holocaust-Überlebende, lese endlich ihre Memoiren aus einem der schlimmsten Ghettos, das nur wenige überlebten. Und- halte vieles, was ums “Jüdische” passiert für problematisch, weil aufgesetzt und nicht gewachsen. Wenn mancher Jiddisch-Lied-Fan jedes Lied als Holocaust-Bewältigungs-Übung zelebriert, geht mir das nur noch auf den Kranz (dabei ist im ach so traurigen Lied nur einem die Geliebte weggelaufen. Oder eine Kuh) Ich habe mal ein jiddisches Stück inszeniert, s. Foto, und zwar ganz bewußt in der Version, die vermutlich um 1910 in der Hack-Theater-Gegend gespielt wurde, bin aber deshalb noch lange kein Kenner der Materie.

Was soll Otto Normalo mit der Forderung nach “mehr jüdischem Leben” anfangen? Mit Kippa rumrennen? Und was der unauffällige, nichtreligiöse Jude in Berlin? So etwas hat das Thema leider inflationiert.

Wie man jetzt auf den Hamas-Terror angemessen reagiert? Vielleicht, indem man eingesteht, es nicht zu wissen?

Die Menschen sind edel, hilfsbereit und gut - aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Ansonsten sind sie einfach fehlerhaft und durchschnittlich. Und äußern sich manchmal hilflos dumm. Das ist aber nicht gleich antisemitisch.

Und etwas grundsätzlich anderes als das Ergebnis antisemitischer Hetze von Kindesbeinen an. Ich habe vor Jahren schon junge Palästinenser in der U-Bahn erlebt, die laut verkündeten, daß Hitler zuviele Juden übrig gelassen hätte. Mitten im weltoffenen Berlin. Aber Demokratie läßt eben eine Menge zu, auch Schlimmes.

Wie die kulturelle Minderheiten-Feindlichkeit der Berliner Theaterpolitik. Gehören Puppentheater und Pantomime nicht zu Deutschland?

 

PS 11. DEz. '23: Dieser Text steht auch auf meiner Facebook-Seite und bekam nur wenige likes, aber darunter auch von der über 90jährigen deutsch-jüdischen Autorin Salomea Genin, was mich besonders freute.

 

Foto: "GOTT, MENSCH, TEUFEL - DER JIDDISCHE FAUST" (2004 Hack. Hof-Theater)
nach Jakob Gordin (1853 - 1909) mit den Klezmorim von AUFWIND, mechan. Puppentheater von Stefan Blankenburg und jiddischen Liedern. Regie und neue Songs Peter Waschinsky
 
 
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