Peter Brooks HAMLET auf ARTE
Theaterverfilmungen sind oft problematisch. Ich sehe öfter Schauspiel und Oper im Fernsehen, bin also trainiert. (Und halte übrigens solches Training für angehende Theaterleute für dringend nötig, um sich zu informieren; ich beobachte oft erschreckende Unfähigkeit, die technische Qualität eines Videos von der künstlerischen des aufgenommenen Objekts zu unterscheiden).
Bei Brooks HAMLET ging es mir ähnlich wie vor langer Zeit bei der berühmten Schaubühneninszenierung von „Sommergäste“, einem „Tschechow-Stück von Gorki“, wie ich es später ironisch nannte. Deren Verfilmung war auch in der DDR zu sehen und schien mir blaß. Die Bühnenversion hatte ich beim legendären Karl-Marx-Stadt-Gastspiel der Westberliner Truppe gesehen und ihr faszinierendes filmisches Konzept ging im Film irgendwie nicht mehr auf, trotz der gleichen Schauspielers.
Peter Brooks Idee vom „leeren Raum“, der von der Zuschauerphantasie gefüllt wird und so das Theater gewissermaßen auf seine Urelemente zurückführt, wurde in der Hamlet-Inszenierungs-Verfilmung zunächst vom Pariser Spielort BOUFFE DU NORD unterlaufen: Die zerkratzten roten Wände und der abgestoßene Stuck des alten, lange leerstehende Theater sind alles andere als leer und nüchtern und die verhältnismäßig kleine Bühne war es mit Kissen, wechselnden Sitzhockern, zeitweise einer Balustrade und anderem auch nicht. Die ebenso einfachen wie stilisierten Kostüme schienen alles aus dem historischen Kontext zu lösen und ins „allgemein-menschliche“ zu ziehen; mich erinnerte es an 60er-Jahre-Theater.
Das immer wieder als ethnisch divers gelobte Ensemble, darstellerisch durchweg gut, schien mir doch eher Anreicherung einer klassisch-englischen Schauspieltruppe mit wenigen Nicht-Europäisch-Stämmigen. Das soll zur Premiere anno 2000 noch aufregend gewesen sein? Jetzt wirkt es auf mich etwas arg „correct“, schon weil es kaum sinnfällig ins Stück integriert war.
Der lange Shakespearetext war auf zwei Stunden gekürzt; besondere inhaltliche Akzente sah ich nicht, außer vielleicht in der reduzierten Komik bei den eigentlich komischen Rollen Polonius und Totengräber. So schien mir die berühmte Shakespearsche Balance zwischen Erhabenheit und Humor kaum wirksam. Am Ende wird Dänemark mit seiner gerade gegenseitig getöteten Königsfamilie von der Armee des Feindes eingenommen – bei Shakespeare. Bei Brook ist das gestrichen, es bleibt beim blutigen Familienstreit.
Arte hatte den Film kurzfristig ins Programm genommen; Der ohne Zweifel große Regisseur war mit über 90 gestorben. War in dieser Arbeit aus seinen 70ern, vom Sender als „extrem sachlich und zuverlässig“ angekündigt, sein Theaterkonzept vielleicht nicht mehr konsequent genug umgesetzt oder aber schon etwas verblichen, was sich die Kritik nicht zu sagen traute? Oder hat die Inszenierung einfach nicht die Verfilmung überstanden?
Noch bis Jahresende in der Arte-Mediathek; im Internet finden sich einige Artikel dazu