Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

FREISPIEL – Puppenspiel-Studenten

19. Febr. 22 (Nachtkritik - abends gesehn, nachts geschrieben, früh veröffentlicht)

 

Freispiel ist quasi das Zwischendiplom der Puppenspiel-Studenten der Ernst-Busch-Hochschule nach zwei Jahren. Ich habe das Programm des einen Tages gesehen – für den anderen war ausverkauft. Es sind alles „selbstgemachte“ Projekte, ohne Regisseur. Insgesamt fand ich das Ergebnis ziemlich erfreulich. Ist die Krise der zu vielen eher halbherzig Puppenspiel Studierenden und zu wenigen Motivierten und Talentierten vorbei? Ich sah starke Talente und engagierte Mitmacher (ein Ensemble kann nicht nur aus Genies bestehen) und fand es hoffnungsvoll. Nun müßte sich auch im Umfeld etwas ändern. Dazu s.u..

 

 

RINDERWAHNSINN

Masken und im besten Sinne angewandte Pantomime, nur eine große Puppe. Spießerfamilie zu Hause, ein Vetter aus D. und die RAF – Slapstick mit Masken. Vier Akteure werden ziemlich großartig zu Puppen. Starker Moment aber auch, wenn die Besuchs-Vetter-Puppe animiert und gesprochen wird. Ansonsten fand mein Begleiter, Gelegenheits-Puppentheater-Besucher, die Tochter wegen ihrer Beweglichkeit großartig, ich noch mehr den Papa, der wirklich den Körper verfremdete und mit dem Maskenkopf – ohne beweglichen Mund – glaubhafte Sprechbewegungen machte. Ach, alle 4 waren beweglich und präsent! Das Stück variierte für mich eher bekannte Muster aus der Vor-Krisen-Zeit – das kann für Jüngere anders sein – aber unterhaltsam und einfallsreich war es allemal. Und Chapeau besonders fürs Regieführen UND Mitspielen (wie bei allen vier Beiträgen, aber hier besonders bewundernswert). Ich habe mich als Regisseur bei sowas, eher unfreiwillig selbst mitspielend, durchaus mal vertan. 

SCHROTT UND SÜHNE

 

Marionetten: Schön, daß Studenten es versuchen mit dieser bei Ernst-Busch-Puppe ungeliebt-vernachlässigten Technik (Vielleicht weil sie mit meinem Regisseurs-Namen, also des lästigen Konkurrenten und gelegentlichen Kritikers (max. 1 x im Jahr, das ist aber zu viel), verbunden ist?) Aber neben dramaturgischen Problemen, einem zu vollen und eher ablenkenden Elektronikmüll-Bühnenbild, waren die schlicht puppentechnischen Schwierigkeiten unübersehbar. Die Marionetten ruhten schon von der Konstruktion kaum in sich und die um Geduld bemühten Studenten waren sichtlich nicht gut genug auf diese Technik vorbereitet.

Ist ja auch nicht so wichtig, in der Schaubude sorgt der Leiter und Joss-Freund Sandweg dafür, daß erfolgreiche Marionetten-Projekte wie meine früheren sich dort nicht wiederholen.

(Der Abteilungsleiter zeigt(e) keinerlei Unrechtsbewußtsein für dieses jahrelange Versäumnis. Dafür gabs meinerseits statt immer wieder Klärungsversuchen diesmal – nein keinen Hundekot ins Gesicht, wie derzeit nicht unüblich, sondern schon mangels Hund nur meinen Urin. Im geschlossenen Glas in die Hand.  

Ich hatte mehrfach einen Marionettenkurs für Nachwuchs-Dozenten angeboten, leider bleibt der Mann dabei, sich im offensichtlichen Dauer-Desaster nicht helfen zu lassen. Wie gewisse Diktatoren, die Hilfsorganisationen nicht ins Land lassen).

 

ZWÖLF UND EINE MÜHLE

Das Krabat-Potpourri hat meinem Begleiter gefallen. Ich fand die zu vielen Mittel etwas zu wahllos eingesetzt, außerdem gab es zu wenig Puppenspiel. Dabei gehörten zwei komische Rabenpuppen zum Besten, traten aber zu selten auf. Immerhin wäre es das einzige Werk dieses Tages, das eventuell für Kinder geeignet wäre. Was eines der Dauerprobleme dieser elitären Lehranstalt berührt.

 

DIE UR-VENUS

(Die Venus von Willendorf)

Am Anfang (etwas zu) langes Sprech-Oratorium über diese faszinierend rätselhafte Elfenbein-Steinzeitfigur, 3 Spielerinnen im präzisen Chor und im abrupten Wechsel als 3 verschiedene, leicht skurrile Charaktere, die sich zur Venus in Beziehung setzten – und das Stück-Ende war zu hinausgezögert. Dazwischen, wenn die vergrößerte Tischpuppen-Nachbildung unter den Händen der drei jetzt sehr Zurückgenommenen belebt wurde, war es faszinierend. Nach und nach steigt sie in gegenwärtigen Alltag ein, mit Mini-Werkzeugkiste und Hammer, bis sie zum Fernseh-Fußball-Gucken im Sessel versinkt. Großartig.

(Tut mir leid, daß ich nach dem langen Beifall noch mit meinem kleinen Auftritt – eben mit o.g. Uringlas – den Nachklang des Spiels gestört habe, aber zu einem anderen Zeitpunkt ging es kaum. Übrigens verwickelten mich danach zwei junge interessierte Frauen in ein längeres Gespräch, so schockierend kanns also nicht gewesen sein, wie eine kurz vor der Ohnmacht stehende sensible Kollegin befand)

 

PS: Puppenspiel-Studenten werden nicht bezahlt – dafür haben sie ansonsten luxuriöse Bedingungen.

Danach nicht mehr. Und sie werden latent instrumentalisiert, weil ihre Projekte mit mehr als nur zwei Spielern davon ablenken, daß es in der SCHAUBUDE seit 25 Jahren faktisch keine professionellen Ensemble-Puppenspiel-Eigenproduktionen mehr gibt; ist doch viel billiger, kleine Projekte in rascher Folge einzukaufen. Zu diesen und anderen Fragen besteht Gesprächsbedarf? Jedenfalls bei mir und diesem und jenem – bei Puppenabteilung und SCHAUBUDE wohl weniger.

Die Gesprächsrunden zum PUPPE-50-Jubiläum der Abteilung fanden neben dem Aufmerksamkeit absorbierenden Fest-Trubel und mitten in der Ferienzeit statt; ich konnte mir nur Zeit für einen Kurzauftritt abklemmen. Kurz: An einem Gespräch zu den wirklichen Problemen war die Hochschule wohl kaum interessiert.  Und die derzeit "führenden" Regisseure usw. wohl auch kaum: Mit den leichten Techniken Tisch- und Klappmaulpuppe gibts kaum Probleme, man muß nicht viel üben. Das mir in Aussicht gestellte Gespräch - auch von der Rektorin - zur Marionettenausbildung wurde vergessen.

 

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PS 2 - Nachtrag nach 2 Tagen: Natürlich gehts in den jetzigen Diskussionen kaum um meine Aktion als Ausdruck von Verantwortung für die Ausbildung, die ich mehrfach angemahnt habe - ich bin im Umfeld der Hochschule faktisch der letzte, der Marionette noch richtig lehren kann (außer vielleicht Regina Menzel, die aber kaum Spiel-Praxis hat). Sondern da wird nur von m einer angeblichen "gekränkten Eitelkeit" geredet oder noch schlimmer seitens M. Joss von meiner Enttäuschung über einen entgangenen Job. Den er sich ans Bein binden bzw. mit seinem allzuoft inkompetenten Klüngel besetzen kann. Ich hatte jetzt wie seit 1975 NIE nach einem Lehrauftrag gefragt, er ist mir immer angeboten worden, bis ich 1998 aufgekündigt habe. Ich hatte zuletzt nur angesichts der Misere einen Kurs für Nachwuchsdozenten angeboten, das ist etwas anderes. 

PS 3 - Wieso übrigens haben die beiden jungen Puppenspielinteressierten Frauen, die mich ansprachen und ein längeres Gespräch führten , weiter kein Problem mit dem Glas mit Inhalt gehabt? Weil sie mit Puppenspiel nichts zu tun haben und keine entsprechende Schere im Kopf. Und nichts wissen von einer Rangordnung, in der ein solider Regisseur, der mangels Alternativen Professor und Chef geworden ist höher steht, als ein ausgewiesener "Ausnahmepuppenspieler" usw..

PS 3 - Und was war wirklich drin im Glas? ;-))